Tiere:Viele Tiere finden Möglichkeiten, nah beim Menschen zu leben

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"Die Heidelerche ist weg, genauso das Braunkehlchen - das war mal ein 08/15-Vogel", sagt Sedlmeier. In den vergangenen zwei Jahrzehnten seien viele Brachflächen Münchens zugebaut worden, "mit dem Allacher Rangierbahnhof fing es an", nun seien auch wertvolle Trockenrasenwiesen im Westen durch die Ansiedlung neuer Großbetriebe bedroht. "Nur die hochwertigsten Flächen zu schützen, genügt nicht", findet der Naturschützer. Es brauche auch in Zukunft Pufferzonen, grüne Achsen durch die Stadt, in denen sich die Tiere bewegen können. Großen Grünanlagen wie dem Riemer Park attestiert er, besonders "artenarm" zu sein, auch wenn es dort einige Blühwiesen gebe.

Und was ist mit dem Wohnraum für wilde Tiere? Noch finden viele Lebewesen vielfältige Möglichkeiten, auch in der Nähe des Menschen zu leben. Igel haben selbst in der dicht bebauten Innenstadt Reviere. Die im 19. Jahrhundert ausgestorbenen Biber vermehren sich an der Isar und der Würm so prächtig, dass nun sogar Bäume vor den ansonsten gutmütigen Nagern geschützt werden müssen. Im Waldfriedhof, dem mit 161 Hektar größten Friedhof der Stadt, leben Füchse mit ihren Jungen in Höhlen unter Grabsteinen, für die seltenen Wanderfalken sind mittlerweile an beinahe jeder Kirche sowie an den Kraftwerkstürmen im Münchner Süden Nisthilfen angebracht.

Laubfrosch

Der Laubfrosch.

(Foto: Christian Hager/dpa)

Zwischen zehn und 15 Paare nutzen das Angebot der Naturschützer und brüten dort. Die mächtigen alten Bäume im Englischen Garten und dem Nymphenburger Schlosspark dienen unter anderem Waldkäuzen als Heimat. Doch die Großbäume werden mit der Zeit immer weniger, weiß Martin Hänsel vom Bund Naturschutz. "Wir haben eine dramatische Abnahme an Altbäumen mit großen Höhlen für die Tiere", sagt er. Langfristig verschwänden sie, weil sie aus Sicherheitsgründen gefällt werden. Das sieht auch LBV-Chef Sedlmeier mit Sorge. "Man lässt die Bäume nicht mehr alt werden und wählt nur noch solche aus, die wenig Arbeit machen", sagt er. In Weiden etwa leben besonders viele Tierarten, doch die würden von der Stadt nicht mehr nachgepflanzt.

Die Folge ist ein echtes Münchner Phänomen: Auch im Tierreich der Stadt nimmt die Wohnungsnot zu. Privatgrundstücke werden immer kleiner und bieten Tieren kaum noch Schutz. Vergessene Ecken, Baulücken oder Brachflächen verschwinden zunehmend und werden bebaut. Und die Bäume, in denen Leben stattfindet, werden immer weniger.

Vogelexperte Manfred Siering, Vorsitzender der Ornithologischen Gesellschaft in Bayern, besucht regelmäßig eine alte Buche im Englischen Garten, der zwar aus Sicherheitsgründen die Krone gekappt wurde, doch der Torso mit seiner Höhle blieb als Vogel-Wohnung stehen. Im Januar brütet dort in einer Baumhöhle ein Waldkauz seine Jungen aus, sobald die jungen Käuze aus dem Nest sind, zieht eine Mandarinente ein und schließlich wirft ein Gänsesäger diese Bewohnerin aus dem begehrten Baumhaus.

Umweltreferentin Jacobs will verhindern, dass der Artenreichtum in München zurückgeht. "Es muss uns allen Auftrag sein, die Artenvielfalt gerade in der Stadt als wertvollen Schatz zu bewahren", sagt sie. "Zukünftige Generationen sollen nicht erst die Stadt verlassen müssen, um den Reichtum der Natur entdecken und erleben zu können." Ihr Referat entwickelt derzeit federführend mit anderen städtischen Referaten eine Biodiversitätsstrategie, die angesichts der hohen Zuwachsraten bei den Einwohnern der Stadt die biologische Vielfalt auch für die Zukunft sichern soll. Das etwa 250 Seiten starke Strategiepapier soll noch in diesem Jahr dem Stadtrat vorgelegt werden.

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