Am Sonntag hat Nikolas Fricke ausnahmsweise den Tatort verpasst. Er ist Beauftragter für Nachhaltigkeit im Werksviertel und kümmert sich um die Schafherde, die seit zwei Jahren auf dem Dach des Hochhauses Werk3 grast. Und die bekam - ausgerechnet zu der Zeit, wenn Fricke normalerweise auf dem Sofa sitzt - Nachwuchs. Gleich dreimal, alles männliche Schafe, von denen noch keines einen Namen trägt. Drillinge seien auch bei Schafen durchaus ungewöhnlich, sagt Fricke. Und nicht ganz unproblematisch: Normalerweise wiegt ein Schaf bei der Geburt zwischen vier und fünf Kilogramm. Die drei Hochhauslämmer jedoch bringen bloß etwa 3,5 kg auf die Waage. Sorgen müsse man sich keine machen: Die drei sehen zwar noch etwas staksig aus, aber so wie alle Schafe standen sie gleich nach der Geburt auf eigenen Beinen. Sie bekommen keine Flasche, sondern werden von Muttermilch ernährt.
Zu ihrer Mama haben Schafe eine große Bindung. "Sie können sich ihr ganzes Leben an sie erinnern", sagt Fricke, der am Starnberger See eine Schafzucht betreibt. Um so schlimmer sei es, wenn sich die Tiere von ihren Müttern trennen müssen: "Sie blöken dann und suchen herum." Doch um Inzucht zu vermeiden, können auch die Drillinge nicht ihr ganzes Leben auf dem Dach am Ostbahnhof bleiben. In etwa einem halben Jahr werden sie von der Herde getrennt.
Elf Walliser Schwarznasenschafe leben momentan auf dem Dachgarten. Die Art sei selten, sagt Fricke. Ursprünglich wurden sie gezüchtet, um in den Bergen im Oberwallis im Süden der Schweiz zu leben. Angepasst an das karge Leben in den Bergen sind sie zwar besonders genügsam und brauchen nicht viel Futter, doch gleichzeitig geben sie weniger Wolle und weniger Fleisch ab als andere Schafe. Deshalb seien sie für Züchter normalweise nicht sonderlich interessant, sagt Fricke. Persönlich schätze er sie jedoch: "Sie strahlen eine unglaubliche Ruhe aus."
Einfach so besuchen kann man die Schafe am Ostbahnhof nicht. Etwa zweimal pro Woche kommen Schulklassen auf das Dach, um etwas über Nachhaltigkeit zu lernen. Alle anderen Interessierten müssen eine Führung durch das Werksviertelgelände machen. Bei der nächsten dürften die Lämmer aber wohl schon ein gutes Stück gewachsen sein: Sie findet am Freitag, 22. März, statt. Weitere Informationen dazu gibt es im Internet auf www.werksviertel-mitte.de.