Tibetische Flüchtlinge über ihre Verfolgung:Die in der Hölle waren

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Verhaftet, verhört, gefoltert: Lhadon, Migmar, Namgyal, und Dadon haben in München Zuflucht vor dem chinesischen Regime gefunden.

Christa Eder

Die Leidensgeschichten von Lhadon (Name geändert), 27, Migmar, 28, Namgyal (Name geändert), 34 und Dadon, 26, ähneln sich und sind gleichermaßen erschütternd: Sie kommen aus den verschiedenen Regionen Tibets, wo sie vom chinesischen Regime verfolgt, verhaftet, verhört und misshandelt wurden. Nach ihrer Freilassung flüchteten sie in den Westen. In München werden sie von Refugio, dem Beratungs- und Behandlungszentrum für Flüchtlinge, betreut.

"Als China ein falsches Kind als Reinkarnation des Pantchen Lama (das zweite geistige Oberhaupt der Tibeter) anerkannt hatte, haben wir vor dem Tashi Lhunpo Kloster protestiert und Plakate für die Freiheit Tibets aufgehängt"', berichtet Lhadon. "Dafür kam ich in die Hölle. Denn chinesische Gefängnisse sind die Hölle." In den Zellen gibt es kein Fenster, kein Bett, keine Matratze, keine Zudecke. Die Häftlinge schlafen auf dem blanken Boden, das Essen wird morgens und abends durch ein tellergroßes Loch gereicht. Die Frage nach medizinischer Versorgung erübrigt sich. "Die Chinesen sperren uns ein, um uns zu quälen, nicht, um uns zu versorgen", sagt sie.

Drei-Punkte-Erklärung unterzeichnet

Immer wieder sei sie geholt und verhört worden, immer wieder dasselbe gefragt worden, wer hinter den Protesten stecke. "Wenn ich nicht die richtigen Antworten gegeben habe, wurde ich geschlagen, an den Haaren gezogen, in den Bauch getreten." 19 war Lhadon damals und eine der Jüngsten im Gefängnis. Als man sie nach zwei Monaten entlassen hat, habe sie eine Drei-Punkte-Erklärung unterschreiben müssen: Dass der Dalai Lama erstens nicht das Staatsoberhaupt Tibets ist, dass Tibet zweitens immer ein Teil von China sein wird und drittens, dass Tibet nicht den Tibetern gehört. "Ich hätte ein normales Leben führen können, wenn ich politisch nicht mehr aktiv gewesen wäre", sagt Lhadon, deren Vater von den Chinesen ermordet wurde. "Aber ich war voller Wut und Trauer und in meinem Herzen ist eine große Wunde, die nicht geheilt werden kann."

So sieht es auch im Inneren von Namgyal aus. Er war Lehrer und gab tibetischen Sprachunterricht. "Aber die Kinder stellten mir Fragen", sagt er. "Wo ist der Dalai Lama? Warum ist er geflohen? Warum befiehlt China die Reinkarnation des Pantchen Lama? Das musste ich doch beantworten." Für seine Antworten musste er acht Monate ins Gefängnis. Auch er berichtet von Verhören und Misshandlungen. Einmal, sagt er, hätten sie ihn an den Händen aufgehängt und stundenlang getreten und geschlagen, ein anderes Mal fast zu Tode geprügelt.

Und Migmar ergänzt: "Es ist die Hauptaufgabe der Polizei, uns zu quälen, und sie sind sehr erfindungsreich darin." Er musste während seiner Haft zudem im Steinbruch arbeiten. "Sie haben uns morgens hingebracht und irgendwann wieder abgeholt. Es war eine harte Arbeit. Viele Häftlinge waren sehr geschwächt und sind krank geworden. Aber die Chinesen wollten nicht, dass sie im Gefängnis sterben, deshalb durften ihre Familien sie kurz vor dem Ende abholen. Gegen Bezahlung."

Einfach verschwunden

Wer verhaftet wird, verschwindet einfach. Die Familien wissen in der Regel nicht, wo ihre Angehörigen sind. "Als ich im Gefängnis war, haben sie mein Haus auf den Kopf gestellt und auch meine Familie eingeschüchtert", sagt Namgyal, der seit neun Monaten keinen Kontakt zu seinen Angehörigen hat. Alles, was er weiß, ist, dass seine Frau und seine sechsjährige Tochter inzwischen in Indien sind. "Ich mache mir jetzt große Sorgen. Es geht mir schlecht. Ich bin sehr traurig." Auch für Migmar ist es das Schlimmste, nicht zu wissen, was mit seiner Mutter ist. Sie ist politisch tätig. Ob sie noch am Leben ist, weiß er nicht.

Dadon war Nonne und zählt aus Sicht der Chinesen wohl zu den harten Separatisten, die nicht "umzudrehen" sind. "Viele Klöster in Tibet sind unterwandert", berichtet sie. "Es gibt dort verkleidete Chinesen, die die Mönche und Nonnen ausspionieren." Seit drei Jahren lebt sie als anerkannter politischer Flüchtling in München, wie auch Migmar. Bei den anderen beiden läuft der Asylantrag noch. Sie müssen sich damit abfinden, dass eine Rückkehr derzeit nicht möglich ist. Hier sind sie zwar sicher, doch das Leben ist schwer. Das gilt genau so für alle anderen Volksstämme, die in China unterdrückt werden und flüchten mussten. Die Opfer sind traumatisiert und brauchen psychologische Betreuung, die sie bei Refugio auch bekommen. Aber sie wollen weiter auf die Situation in ihrem Land aufmerksam machen. Friedlich, mit Mahnwachen, Aufrufen, Demonstrationen. "Das ist der richtige und einzige Weg für uns Tibeter", sagt Migmar. "Deswegen bekommen wir auch so viel Unterstützung. Sobald wir diesen Weg verlassen, haben wir keine Chance. Die meisten Tibeter denken so."

© SZ vom 12.04.2008/af/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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