Wahl zum Oberbürgermeister:"Ausgehetzt"-Organisator soll Kandidat der Linken werden

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Aktivist Thomas Lechner will für die Linke ins Rathaus und ruft zur "Protestwahl mit Hirn auf". (Foto: Alessandra Schellnegger)
  • Thomas Lechner soll für die Linken bei der Oberbürgermeisterwahl 2020 antreten.
  • Der Aktivist ist weder Parteimitglied noch politisch erfahren - trotzdem setzt die Linke auf den 57-Jährigen.
  • Lechner will gegen den Klimawandel und den gesellschaftlichen Rechtsruck ankämpfen und sich für soziale Belange einsetzen.

Von Dominik Hutter

Parteimitglied ist Thomas Lechner nicht. Und sieht genau dies als Chance, eine andere Politikform ins Münchner Rathaus zu bringen: die politische Einbeziehung der Bürger und ihrer vielfältigen Netzwerke. Dies habe die Stadtregierung nach dem munteren Demo-Geschehen des vergangenen Jahres versäumt. Lechners Angebot für den 15. März 2020 lautet: "Protestwahl mit Hirn". Wer unzufrieden sei mit den Bilanzen der aktuell regierenden Parteien, solle sich für eine Politik entscheiden, die - anders als etwa die der AfD - später nicht negativ zurückschlage. Man müsse aber auch gegen die Politik der "Verhinderer und Problemverwalter" vorgehen. Und so hat Lechner einfach Ja gesagt, als ihn die Münchner Linken gefragt haben, ob er nicht ihr Oberbürgermeisterkandidat werden will.

Dass sich Lechner so sehr für die Groß-Demos von 2018 interessiert, ist kein Zufall: Die Welt der Initiativen hat den 57-Jährigen geprägt, er war als Organisator maßgeblich an Protestkundgebungen wie "Ausgehetzt" und "Ausspekuliert" beteiligt. Mit seiner Person ist insbesondere die Vernetzung der zahlreichen Gruppierungen untereinander verbunden. Der gebürtige Österreicher ("ich habe Migrationshintergrund") hat "Ausgehetzt" in den Organisationsstrukturen von "NoPAG" vertreten, der Initiative gegen das Polizeiaufgabengesetz. Jetzt will er im Chefbüro des Rathauses die Stadtgesellschaft mitgestalten.

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Mit dem Fokus auf drei "Problemzonen", die es in München gebe: den Klimawandel, gegen den rasch etwas unternommen werden müsse, bevor unumkehrbare Kettenreaktionen einsetzen. Den Rechtsruck, der von den etablierten Parteien verharmlost werde. Und das Soziale, wo Lechner in München viele Probleme ausmacht. Der öffentliche Nahverkehr müsse daher kostenfrei werden, städtische Mitarbeiter sollten anständige Löhne erhalten, die Mieten müssten bezahlbar bleiben. Die Politik müsse das Ziel haben, "gerade auch die Menschen zu erreichen, die völlig abgehängt sind".

Am Herzen liegen Lechner Themen wie offene Jugendarbeit, Band-Übungsräume, Veranstaltungen und ganz allgemein der kulturelle Bereich. Auf diesem Feld ist der Neu-Politiker, der seine Homosexualität offen lebt, seit langem zu Hause. Lechner leitet die Veranstaltungsabteilung des Kulturzentrums "Feierwerk", mit seinem Namen sind oder waren Angebote wie das Theatron-Pfingstfestival, das Bavarian Open Festival, das Kulturprogramm des Christopher-Street-Days oder der "Candy Club" verbunden, die erste "schwul-lesbische alternative Independent-Electro-Party", wie der OB-Kandidat berichtet.

Rathaus-Erfahrung hat Lechner kaum - für seine Parteikollegen ist er dennoch authentisch

Offiziell nominiert ist Lechner übrigens noch nicht. Das wollen die Linken am 20. Juli bei einem Kreisparteitag tun; einen Tag später ist die Verabschiedung des Kommunalwahlprogramms geplant. Die Stadtratsliste folgt Ende September. Um tatsächlich den Rathaus-Chef stellen zu können, müssten die Linken aber kräftig zulegen: 2014, im ersten Wahlgang der OB-Wahl, kam die Linken-Kandidatin Brigitte Wolf auf 1,2 Prozent. Beim Stadtrat kam die Partei auf 2,4 Prozent und stellt seitdem zwei Stadträte (Brigitte Wolf und Četin Oraner).

Lechner, das räumt Linken-Kreischef Ates Gürpinar ein, sei keineswegs der Kandidat mit der umfassendsten Rathaus-Erfahrung. Aber damit sei das "Urgestein der Münchner Initiativszene" eben auch am "authentischsten, um die Zivilgesellschaft zu repräsentieren". Co-Parteichefin Nicole Gohlke will, dass die "Abgehängten und Verdrängten" wieder eine Stimme bekommen. Die Spaltung der Gesellschaft in Arm und Reich sei eine wachsende Herausforderung.

© SZ vom 22.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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