Süddeutsche Zeitung

Theresienwiese:Flohmarkt kann süchtig machen

Feilschen kann man in München zwar das ganze Jahr - doch der Riesenflohmarkt ist ein besonderes Spektakel. Auf der Theresienwiese sichern sich die Verkäufer jetzt schon die besten Plätze.

Von Günther Knoll

Die ersten kamen schon vor Tagen auf die Theresienwiese, dort wo am Samstag wieder einmal der Riesenflohmarkt des Bayerischen Roten Kreuzes stattfindet. Eigenartig, denkt sich der, den solches Treiben kalt lässt.

Denn Flohmärkte gibt es inzwischen längst ganzjährig zu allen möglichen Tages- und auch Nachtzeiten und an (fast) jeder Ecke. Doch zum Faszinosum Flohmarkt gehört zumindest für die Verkäufer wohl auch der Kampf um die vermeintlich besten Plätze. Also wird schon einmal vorher sondiert und markiert, hier auf dem Teer der Festwiese mit Kreide, mit Sägespänen, mit Mehl.

Den Aufbau der Stände erlaubt der Veranstalter erst an diesem Freitagnachmittag von 14 Uhr an. Und dann zeigt sich auch, dass Tapeziertische ihren Namen eigentlich völlig zu Unrecht tragen. Denn sie sind nichts anderes als zusammenklappbare Verkaufstische, von denen die meisten weder mit Leim noch mit Tapete in Berührung kommen.

Doch wichtig ist, dass sie möglichst platzsparend transportiert werden können, denn die Kleinbusse, Kombis und Vans sind voll von dem, was man am Samstag unter die Leute bringen will. Um sieben Uhr früh beginnt das große Feilschen, um 16 Uhr ist Schluss. Früh aufstehen sind die Flohmarktfans gewohnt, und dass man dann halt eine Nacht an seinem Stand zur Bewachung verbringt, ehe die ersten Interessenten kommen, macht das Ganze nur noch spannender. Auch schlechtes Wetter wird, so gut es geht, ignoriert.

Es ist eine eingeschworene Gemeinschaft, die sich da immer wieder über den Weg läuft, auf den Flohmärkten zwischen Freising und Bad Tölz. Selbst im Kreis von mehr als 2000 Händlern, die auf der Theresienwiese zusammenkommen, erkennt man sich wieder. Ehrensache für sie alle ist es, sich an die Regeln des Roten Kreuzes zu halten. Die wichtigste besagt, dass all die Dinge verkauft werden dürfen, "die in einem Haushalt üblich sind oder sich im Laufe der Zeit zuhause angesammelt haben".

Ein Festival der Nachhaltigkeit

Auf dem Index stehen unter anderem Großmöbel, Kraftfahrzeuge und Kfz-Teile sowie Lebensmittel, Tiere und Pflanzen. Neue Ware gilt nicht und auch gewerbliche Händler sind nicht zugelassen. Die finden sich höchstens einmal unter den Kunden. Aber wer mit Flohmarktware echte Geschäfte machen will, der glaubt zumindest zu wissen, dass die wertvolleren Stücke anderswo zu holen sind, in Leipzig oder in Prag etwa.

Und weil der Veranstalter auch "Waren aller Art, die im Auftrag Dritter veräußert oder zum Weiterverkauf erworben werden" verbietet, findet im Grund ein Festival der Nachhaltigkeit statt, bei dem die eine Seite von dem Gedanken "zum Wegwerfen zu schade" getrieben wird, die andere von der Idee "Kann ich eigentlich gut gebrauchen". Dass dabei auch Geld zum Einsatz kommt, macht die Sache nur noch spannender, weil der Preis ja Verhandlungssache ist.

Viele der mindestens zehntausend Besucher kommen in erster Linie zum Schauen und zum Stöbern. Es gibt zwar auch solche, die eine ganz genaue Vorstellung von dem haben, was sie suchen, bei den meisten aber macht es bei dem Bummel durch die Verkaufstraßen einfach irgendwann einmal Klick. Oft sind es Kindheitserinnerungen: Tassen, aus denen man bei Oma Schokolade trank, Bücher, an deren Inhalt man sich nur noch schwach erinnert, oder lieb gewordene Dinge, die man verloren hat.

Fast 500 Händler bauen ihre Stände auf

Kann aber auch sein, dass man sich in völlig Überflüssiges verguckt. Plötzlich ist man stolzer Besitzer eines Einmachtopfes, der sich als Blumenkübel ganz gut machen könnte. Also Vorsicht: Flohmarkt kann süchtig machen. Und dann weiß man zu Hause nicht mehr, wohin mit all dem Zeug.

Um es wieder los zu werden, bietet sich der Kauf eines Tapeziertisches an. Allein in München gibt es Hunderte von Flohmärkten. Einer der größten ist der im Olympiapark, wo jeden Freitag und Samstag in der Parkharfe fast 500 Händler ihre Stände aufbauen, Veranstalter ist ebenfalls das BRK. Wer auf Trödel, Accessoires und kleine Raritäten schwört, der ist auf dem Freigelände direkt neben Trabrennbahn Daglfing richtig, wo ebenfalls jeden Freitag und Samstag Flohmarkt angesagt ist.

Als Bayerns größter Freiflächenflohmarkt bezeichnet sich der in Riem. Dort können die Besucher jeden Samstag auf 150 000 Quadratmetern des Messe-Freigeländes von 6 bis 16 Uhr nach Schnäppchen suchen.

Einen Überblick über Flohmärkte in München gibt es unter anderem unter www.awm-muenchen.de

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Quelle:
SZ vom 21.04.2017/amm
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