Laubholzbockkäfer in München:Gefährlicher Gast

Laubholzbockkäfer in München: Unliebsamer Zeitgenosse: Der Schaden, den der Asiatischen Laubholzbockkäfer im Holz der Bäume hinterlässt, ist gravierend.

Unliebsamer Zeitgenosse: Der Schaden, den der Asiatischen Laubholzbockkäfer im Holz der Bäume hinterlässt, ist gravierend.

(Foto: Lukas Barth)
  • In Riem wurde der Asiatische Laubholzbockkäfer gesichtet. Er gilt als extrem gefährlich.
  • Die Larven, die das Weibchen unter der Rinde ablegt, fressen Löcher ins Holz, die Säfte im Baum können nicht mehr zirkulieren - der Baum stirbt ab.
  • Der Käfer reist in Holzpaletten aus China und Korea ein - und befällt vor allem Ahorn, Pappeln, Kastanien und Weiden. Kiefern und Eichen hingegen mag er nicht.

Von Franziska Gerlach

Einen Übeltäter würde sie ihn nicht gerade nennen, ebenso wenig als böse bezeichnen. "Hübsch sieht er aus, so apart", sagt Michaela Fischer mit Blick auf die Informationstafel am Rande des Lindenhains im Riemer Park. Das Foto darauf zeigt eine Ganzkörperaufnahme: schlanke Beine, lange Fühler, weiße Flecken auf einem schwarz schillernden Panzer. Sicherlich habe er dort, wo er herkommt, eine Funktion im Gefüge der Natur, glaubt Fischer, Kleingärtnerin in der Anlage unweit des Buga-Sees. Und trotzdem: Dass der Schädling - beziehungsweise seine Spuren - nun in Riem gesichtet wurde, also gewissermaßen die Stadtgrenze überkrabbelt hat, bereitet auch ihr Sorgen.

Denn der in Holzpaletten aus China und Korea eingereiste Asiatische Laubholzbockkäfer ist extrem gefährlich: Die Larven, die das Weibchen unter der Rinde ablegt, fressen Löcher ins Holz, die Säfte im Baum können nicht mehr zirkulieren - der Baum stirbt ab. Kürzlich haben die Mitarbeiter des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) Ebersberg jene für den unliebsamen Zeitgenossen typischen Bohrlöcher auch an einem Feldahorn im östlichen Riemer Wäldchen entdeckt.

15 Baumarten mussten gefällt werden

Die Fundstelle liegt etwa 400 bis 500 Meter westlich eines ehemals stark befallenen Waldes in der Landkreisgemeinde Feldkirchen, wo der Käfer im Oktober 2012 erstmals ausgemacht wurde, zwei Jahre später wurde er in Neubiberg gefunden. Um zu verhindern, dass der Schädling sich weiter ausbreitet, müssen laut EU-Vorgabe im Umkreis von 100 Metern einer Fundstelle alle Gehölze entfernt werden, die als Wirtsbäume in Frage kommen. Im Fall des Riemer Wäldchens handelt es sich dabei um 15 Baumarten.

Laubholzbockkäfer

Spuren des Schädlings wurden im östlichen Riemer Wäldchen entdeckt.

(Foto: Lukas Barth)

Glücklicherweise würden im Wäldchen auch Kiefern und Eichen wachsen, die der Käfer verschmähe, sagt Andreas Egl, der beim AELF für die Koordination der Schädlingsbekämpfung zuständig ist. "Seine Leibspeise ist der Ahorn." Auch Pappeln, Kastanien und Weiden schmecken ihm recht gut. Für die Fällung ist nun die Stadt München als Eigentümerin des Grundstücks zuständig, die Vorbereitungen laufen bereits. Bis Mitte Juni, schätzt Egl, sollen die Maßnahmen abgeschlossen sein. Einen Kahlschlag werde es in dem Wäldchen aber nicht geben, beruhigt er, schließlich gibt es dort genug Baumarten, die durch den Käfer nicht gefährdet seien.

Kiefern und Eichen rührt der Käfer nicht an

Anderen bereiten die geplanten Maßnahmen dennoch Unbehagen. Fällungen im Radius von 100 Metern? "Dann ist ja das halbe Wäldchen weg", fürchtet Sylvia Wittl. Sie wohnt direkt am Riemer Park, ihr Mann ist außerdem Vorstand des Vereins Kleingarten Südost. Weil ihr Schrebergärtchen innerhalb der Quarantänezone liegt, die in den vergangenen zweieinhalb Jahren mehr und mehr ausgeweitet wurde, muss sie ihre Gewächse schon jetzt penibel kontrollieren.

Hans Häuser wohnt ebenfalls in Riem und hat sich informiert: Dem Julius-Kühn-Institut zufolge, dem Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, könne der Käfer im Schnitt etwa 250 Meter weit fliegen. Eine Abholzaktion im Umkreis von einhundert Meter sei demnach inkonsequent. "Dieses prophylaktische Fällen ist doch Irrsinn", sagt Häuser, damit richte man mehr Schaden an als der Käfer selbst. Er befürchtet überdies, Riem könne in der Angelegenheit zum "Bauernopfer" werden. Denn: Fällungen dieses Ausmaßes in der Stadt München? In den Isarauen? "Den Aufruhr möchte ich mir nicht vorstellen."

Die Stadt München ist alarmiert

Und natürlich alarmiert die Nachricht vom Käfer auf dem Gebiet der Stadt München. Nicht auszudenken, wenn er den Englischen Garten erreicht. Die Grünen im Stadtrat reagierten auf den Riemer Fund mit einem Antrag Fund: Von Versäumnissen bei der Pflege im vergangenen Winter ist da die Rede. Außerdem will die grüne Stadtratsfraktion im Detail wissen, wie die Stadt gegen den Schädling vorzugehen gedenke.

Laubholzbockkäfer

Der Laubholzbockkäfer wurde in einem Wäldchen in Riem entdeckt - das bereitet auch Kleingärtnerin Michaela Schmidt Sorgen.

(Foto: Lukas Barth)

Andreas Egl und seine Kollegen vom Ebersberger Forstamt werden die Umgebung auf jeden Fall genauestens im Auge behalten. Ob es noch mehr befallene Stämme gibt, muss die Untersuchung der gefällten Bäume ergeben. Dann werde sich auch entscheiden, ob die bestehende Quarantänezone, innerhalb derer der neue Befall entdeckt wurde, erweitert werden müsse. Auf allzu schlimme Nachrichten stellt sich Egl aber nicht ein: Die gefundene Larve sei bereits vor fünf Jahren abgelegt worden, in der Vergangenheit aber hätten Durchsuchungen des Wäldchens keine Hinweise auf einen Befall gebracht. Mit Prognosen ist Egl vorsichtig, er persönlich gehe aber eher von einem einzelnen Ableger aus, der sich aus Feldkirchen Richtung Westen bewegt hat. "Das passt auch von der Windrichtung." Von Riem aus werde sich der Käfer also wohl nicht massiv ausbreiten.

Hätte der Befall verhindert werden können?

Bäume müssen dort trotzdem fallen, und wenige Tage später, an einem warmen Maitag, beschäftigt das auch manchen Besucher im Riemer Park. Schließlich ist es doch noch nicht so lange her, dass der Sturm Niklas in der Stadt gewütet hat. "Es dauert einfach so lange, bis die Bäume wieder gewachsen sind", sagt Jürgen Kluge. Er sitzt mit seiner Schwester, Birgit Roth, auf einer Parkbank. Sie kommt aus Feldkirchen und hat die Konsequenzen eines Käferbefalls bereits leidvoll erfahren. "Die Ahornbäume bei mir zu Hause vor meinem Fenster mussten gefällt werden", sagt sie. Dass nun im Riemer Wäldchen Bäume weichen sollen, hat sie bereits im Radio gehört.

Andere dagegen haben von dem Eindringling noch gar nichts mitbekommen. Asiatischer Laubholzbockkäfer? "Nie gehört, nie gesehen", sagt Stefan Butcher. Als sein Blick an der zierlichen Baumreihe auf der anderen Uferseite hängen bleibt, wird er dennoch ernst: Wie alt die wohl sind? Zehn, vielleicht elf Jahre, schätzt sein Freund Andreas Menzl. Kein Alter für einen Baum. Emil Bieringer, der ein paar Meter weiter in der Sonne sitzt, bringen die Neuigkeiten hingegen kaum aus der Fassung. Der 81-Jährige erinnert sich noch gut an den Borkenkäfer, der in den Neunzigerjahren im Bayerischen Wald sein Unwesen getrieben hat. Diesen habe man schließlich auch in den Griff bekommen habe, es müsse doch wohl ein Mittel gegen den Asiatischen Laubholzbockkäfer geben. "Irgendeine Chemiekeule", sagt er und schüttelt den Kopf. Es könne doch nicht sein, dass der Mensch zum Mars fliege, einerseits, und andererseits dieses kleine Insekt nicht bezwingen könne.

Bleibt die Frage, ob man den Käferbefall hätte verhindern können. "Schwer zu sagen", sagt Andreas Egl. Dazu hätte man quasi seine Einwanderung verhindern und schon vor vielen Jahren gründlicher kontrollieren müssen. "Für Diskussionen mag das nett sein, aber bringen tut es nichts", sagt Sylvia Wittl, die Kleingärtnerin. Und wenn der Käfer sich über ihren Garten hermacht? "Dann muss man abholzen und wieder von vorne anfangen." Michaela Fischer hingegen versteht die Existenz des Käfers als Symptom für eine Natur, die aus dem Gleichgewicht geraten ist. Und Hans Häuser ist der Auffassung, dass man sich von der romantischen Vorstellung lösen müsse, dass alles so bleibt, wie es heute ist: "Ich glaube, dass der Käfer nicht zu stoppen ist." Doch vielleicht gebe es irgendwann ein Tier, das ihm beikomme. Oder es wachsen hier andere Bäume.

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