Das neue Ding böte „perfekten Zündstoff“, steht mittendrin in der Presseinformation zur ersten Münchner Theaterwoche. Und da spitzt man doch gleich mal gespannt die Ohren: Wem wollen die Macher so eines Kulturereignisses auf die Füße steigen? Welche Obrigkeit mag etwas dagegen haben? Geht es gar wieder ums Geld? Nichts davon, die Macher der Theaterwoche beweisen nur Kreativität in der Auslegung des Wortes „Zündstoff“, also nicht im Sinn von „Konflikte anschüren“, sondern sie meinen: „Zündstoff, um die Begeisterung fürs Theater zu entfachen“. Ach, so.
Aber genau darum geht’s, findet der Chef-Organisator, David Boppert von der Münchner Kultur GmbH. Der Macher der „Langen Nächte“ für Musik oder Museen hat das Großereignis vor eineinhalb Jahren zusammen mit vier Initiatoren aus der Münchner Theaterszene geboren, mit dem Staatstheater am Gärtnerplatz, dem Deutschen Theater, dem GOP Varieté und Georg Maiers Iberlbühne. „Wir sind sehr froh, dass sich jetzt so viele angeschlossen haben“, sagt Boppert und verweist auf das nun veröffentlichte Programm: An 50 Spielstätten gibt es 138 Aufführungen und Workshops binnen sechs Tagen (3. bis 8. Juni). „Das zeigt, was wir zeigen wollen: Es gibt eine große Vielfalt an Theater in München“, so Boppert.
Staatliche Bühnen wie das Nationaltheater (mit der Oper „Rusalka“, nur am 7. Juni) sind ebenso vertreten wie Bühnen der Stadt München. Besonders freut es Boppert, dass die anfangs etwas zögerlichen Kammerspiele nun gleich mit drei ihrer Bühnen eingestiegen sind. Genauso machen private Gruppen mit, zum Beispiel „Die Sprechwerker“, die Kindern mit ihrem Musik-Theater-Stück in der Auferstehungskirche zeigen „Wie man einen Troll besiegt“.
Zwei Wermutstropfen gibt es für Boppert: Das Werk7, das Theater des Werksviertels, das dabei sein wollte, existiert nun nicht mehr, zumindest nicht als kuratierte Spielstätte. Und das Volkstheater hat sich nicht für die verbindende Idee erwärmen können, „das ist schade“, findet Boppert, ohne daraus Zündstoff ziehen zu wollen.
Aber da ist noch genug für alle – und alles Mögliche. Das ist die Idee. „Die Münchner Theaterwoche gibt keinen festen Rahmen vor, was Theater ist, sondern schafft Raum für alles, was sich Theater nennt“, heißt es. Denn wer gibt denn vor, was wahre Schauspielkunst ist? Allein die Kammerspiele mit engagierten Regietheater-Stücken wie „Fremd“, „Sauhund“ oder „Katzelmacher“ (überdies gibt es im Schauspielhaus ein Konzert des Jewish Chamber Orchestra)? Oder muss in der Stadt nicht auch Platz sein fürs Lustspiel, nehmen wir mal „Onkel Hubbi wird’s schon richten“ mit der Neuaubinger Volksbühne im Bayerischen Schnitzel- und Hendlhaus (Landsberger Straße 499)?
Kindertheater gibt es zum Sonderpreis
Mal über die eigene kulturelle Blase hinausschauen, oder überhaupt Neulinge ins Theater locken – das soll dieses Festival. Und das funktioniert über den Schnäppchen-Preis für Kombi-Ticket: Für 35 Euro darf man zwei Stücke besuchen, eines der „Kategorie Rot“ in einem großen Haus und ein „blaues“ in einem kleinen. Die Theater haben für dafür einige Plätze geblockt (manche 30 Prozent des Saalplans, andere weniger), die muss man sich vorab über die Festival-Homepage reservieren. Hier findet sich auch das Rahmenprogramm mit Führungen (wie eine „Münchner Schatzsuche“ zu untergegangenen Opern-Spielorten), Ausstellungen (im Deutschen Theatermuseum), offenen Proben („The Merchant of Venice“ im Westpark) oder Impro-Schauspielkursen (etwa zu Superhelden).
Da bringt schon das Studium des Angebots Laune – und einen Einblick in die übliche Arbeit der Theater: Von den Mitinitiatoren zeigt das Deutsche Theater das Tanzstück der Limonada Dance Company über Romy Schneider; das GOP fusioniert in „Stylez!“ Breakdance und Akrobatik; die Iberl Bühne führt eine Komödie über Adele Spitzeder auf, jene Hochstaplerin, die München durch ihre Privatbank aufmischte; am Gärtnerplatz kann man zwischen Shakespeares „Die lustigen Weiber von Windsor“, Puccinis „Tosca“ und dem Musical „La Cage Aux Folles“ wählen.
Die kleineren Helden der Szene rückt die Woche ebenfalls ins Rampenlicht, etwa das Galli-Theater mit sieben Stücken (von „Parzival“ bis „Dornröschen“), Theater Viel Lärm um nichts („Freiheit im Krääähwinkel“), HochX („Wonder Woman“), Metropoltheater („Ach, diese Lücke“) oder Hofspielhaus mit Travestie-Star Chris Kolonko. Das kleine, von der SZ bereits gelobte Spagat-Theater am Bauhausplatz gilt es wohl selbst für viele Theater-Aficionados noch zu entdecken („Ballade der Mädchen vergangener Zeiten“).
Kindertheater gibt es zum Sonderpreis von fünf Euro, etwa „Die kleine Hexe“ in der Schauburg. Das Münchner Marionettentheater hingegen zeigt nicht nur Kinderstücke. In neun Produktionen findet sich auch Erwachsenes, wie ein „Altmünchner Abend“. Oder die „Mai-Nacht“, ein ukrainisches Folklore-Stück des Kharkiv Academic Puppet Theater. Bei solchen Kooperationen über die Stadt- und Gesellschaftsgrenzen hinaus, zeigt die Münchner Szene dann ihre wahre Stärke: In „Was wir erben“ etwa spielen junge Geflüchtete ihre eigenen Geschichten, dazu gibt es in der Mohr-Villa einen eigenen „Begegnungsabend“. Das Theater Apropos mit Darstellern mit und ohne psychische Einschränkung will im Kulturzentrum Luise mit seiner inklusiven Horvath-Adaption „Freigesprochen“ soziale Barrieren sprengen. Genau diese neuen Verbindungen sind es, mit denen die erste Theaterwoche eine Initialzündung sein will für weitere Festivals von Jahr zu Jahr.
Münchner Theaterwoche, Dienstag bis Sonntag, 3. bis 8. Juni, Orte, Karten und Programm unter www.theaterwoche.de