Theaterskandal um "Breiviks Erklärung":Angst vor der Courage

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Das Haus der Kunst lädt das Münchner Volkstheater mit seinem Stück "Breiviks Erklärung" trotz schriftlicher Zusage kurzfristig aus. Die Begründung ist geradezu aberwitzig und absurd. Nicht nur ist das Haus der Kunst übervorsichtig gewesen. In diesem Fall ist es sogar noch schlimmer.

Ein Kommentar von Franz Kotteder

Gerade dann, wenn man etwas besonders richtig machen will, geht es gerne schief. Zum Beispiel im Umgang mit dem Rechtsextremismus. Das Münchner Oberlandesgericht etwa versuchte, beim anstehenden NSU-Prozess die wenigen Presseplätze ganz besonders gerecht zu vergeben - es kommt nun seit Wochen nicht mehr aus den Schlagzeilen.

Und das Haus der Kunst lädt das Münchner Volkstheater mit seinem Stück "Breiviks Erklärung" trotz schriftlicher Zusage kurzfristig wieder aus. Angesichts der Geschichte des Hauses, zu dem Adolf Hitler den Grundstein gelegt hatte, wollte man jeden möglichen Anschein von Nähe zu heutigem Rechtsradikalismus vermeiden. So ist das jedenfalls den Äußerungen der Leitung des Hauses zu entnehmen.

Die Begründung ist geradezu aberwitzig und absurd für eine Kultureinrichtung dieses Ranges. Das Stück, das beim Festival "Radikal jung" am 22. April im Terrassensaal des Hauses der Kunst gezeigt werden sollte (und nun im Stadtmuseum zu sehen sein wird), basiert zwar auf den Äußerungen des Rechtsterroristen und 77-fachen Mörders Anders Breivik vor dem Osloer Amtsgericht.

Trotzdem ist es aber selbstverständlich alles andere als ein Neonazi-Stück. Nur so als Beispiel: Vor etwa 40 Jahren las Helmut Qualtinger öffentlich aus Hitlers "Mein Kampf", und niemand mit etwas Hirn wäre auf den Gedanken gekommen, es handele sich dabei um eine Verherrlichung des Nationalsozialismus.

Da ist also im Haus der Kunst jemand übervorsichtig gewesen. Man kann mit guten Gründen der Ansicht sein, dies sei genau das Falsche im Umgang mit Rechtsradikalismus. Aber es ist in diesem Fall sogar noch schlimmer: Gerade ein Haus, das in seiner Architektur faschistische Ästhetik verkörpert, müsste sich umso engagierter mit heutigen Formen des Rechtsradikalismus und seiner künstlerischen Aufarbeitung befassen. Alles andere ist schlicht peinlich.

© SZ vom 05.04.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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