30 Jahre Theaterakademie August Everding:Lernen für Bühne und Leben

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Die Zukunft des Theaters entsteht hier: Über 170 Studierende werden aktuell an der Theaterakademie August Everding ausgebildet. Mit acht Studiengängen ist sie mittlerweile die größte Ausbildungsstätte für Bühnenberufe im deutschsprachigen Raum. Hier eine Szene aus der aktuellen Produktion "4.48 Psychose". (Foto: Cordula Treml)

Vor 30 Jahre hatte August Everding einen Traum, jetzt feiert seine Theaterakademie, die sich gegen viele Widerstände zum Erfolgsmodell entwickelte, Geburtstag. Und alle Münchner sind eingeladen mitzufeiern. Eine spannende Jubiläumsspielzeit erwartet sie.

Von Jutta Czeguhn

"Hier lernt man alles übers Theater, im Theater mit dem Theater, man lernt es für Kopf und Herz, und immer ist der Mensch im Mittelpunkt!" Mit der ihm eigenen Begeisterung, dieser mitreißenden Dringlichkeit in der Stimme sprach August Everding am 18. Oktober 1993 hinein in den vollbesetzten Saal des damals erst teilinstandgesetzten Prinzregententheater. Anlass war die offizielle Eröffnung der Bayerische Theaterakademie, die zum Wiedergeburtshelfer des Traditionshauses werden sollte.

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Seit dem überraschenden Tod des umtriebigen Impresarios 1999 trägt sein Herzensprojekt auch seinen Namen. Heute ist die Theaterakademie August Everding die größte Ausbildungsstätte für Bühnenberufe im deutschsprachigen Raum. Dass sie nun ihr 30. Bestehen feiern kann, ist laut Barbara Gronau, der aktuellen Präsidentin, an sich schon ein kleines Wunder. Nicht wenige hätten der Akademie damals nur drei Jahre gegeben.

Leidenschaftlich und ziemlich stur: So kennt man August Everding, dieses Foto enstand am 8. November 1996 bei der Wiedereröffnung des Prinzregententheaters. Er wird eingerahmt vom damaligen Bundespräsidenten Roman Herzog und Bayerns Ministerpräsidenten Edmund Stoiber. (Foto: DPA)

"Braucht's des a no?" Kernige Relevanzdiskussionen, die gab es auch damals schon in der Stadtgesellschaft. Wozu das alles, wo doch München schon große Kaderschmieden fürs die Bühnenkünste wie die Falckenbergschule oder die Hochschule für Musik und Theater habe. So geriet Everdings Erbe ein ums andere Mal unter heftigen Legitimationsdruck. Doch die Akademie, die sich auch durch die Vermietung des Prinzregententheaters an private Veranstalter finanziert und viele Kooperationen eingeht, hat sich als erstaunlich resilient erwiesen. An die 1400 Absolventinnen und Absolventen haben ihre Ausbildung in den vergangen 30 Jahren dort durchlaufen. Viele von ihnen werden sich am 10. November bei der offiziellen Jubiläumsgala im Prinzregententheater (mit Staatsakt) wieder treffen, wo auch ein Alumni-Netzwerk gegründet werden soll.

Sind wir die Avantgarde?

Das Münchner Prinzregententheater ist Sitz und Hauptspielstätte der Theaterakademie August Everding, die sich hauptsächlich dadurch finanziert, dass sie das Haus an Konzertagenturen und weitere Veranstalter vermietet. (Foto: Yoav Kedem)

Aber vor allem mit den Münchnerinnen und Münchnern will die Akademie ihre bewegte Geschichte feiern. Gerade auch mit jenen, denen das achteckige, knallgelbe Logo am Mast vor dem Prinzregententheater bislang gar nicht groß aufgefallen ist und die sich vielleicht nur über die vielen jungen Menschen gewundert haben, die im kleinen Park hinter dem Haus in Grüppchen rege diskutieren oder still über Textbüchern kauern. Für sie, die 175 Studierenden ist die Jubiläumsspielzeit 2023/24 eine ganz besondere.

Sie können zeigen, was an Kunst entsteht in den Studiengängen (Schauspiel, Musiktheater/Operngesang, Musical, Regie, Performative Künste, Dramaturgie, Maskenbild, Bühnenbild, Kulturjournalismus). Und ja, die Akademie will das Jubiläum auch zur eigenen Positionsbestimmung nutzen, zur kritische Selbstbefragung über den Bubble-Horizont hinaus. Was tun wir hier eigentlich? Wie sieht die Bühnenausbildung für übermorgen aus? Sind wir die Avantgarde des Theaters, oder laufen wir dem Markt hinterher?

Auf einem Stück der britischen Dramatikerin Sarah Kane basiert die Kammeroper "4.48 Psychose", die jetzt in der Reaktorhalle zu sehen ist. (Foto: Cordula Treml)

Das Musiktheater, die Oper steht vor einem massiven Wandel. Will sie als gesellschaftlich relevante Kunstform überleben, muss sie sich neuen Erzählperspektiven und Stoffen öffnen. Weshalb die Studierenden dieser Fachrichtung an der August Everding Akademie mit zeitgenössischem Repertoire intensiv vertraut gemacht werden. Wie spannend und mutig das sein kann, zeigt das Stück "4.48 Psychose", eine Kammeroper für drei Soprane und drei Mezzosoprane von Philip Venebles. Es spielt das Ensemble Der Gelbe Klang. Als Vorlage diente dem jungen Komponisten das letzte Stück der britischen Dramatikern Sarah Kane, die sich 1999 im Alter von 28 Jahren das Leben nahm.

"Um 4.48 Uhr, wenn die Verzweiflung mich überkommt, werde ich mich aufhängen", heißt es im Monolog einer psychisch Kranken, der in seiner Intensität kaum auszuhalten ist. Balázs Kovalik, der die Oper inszeniert, war berührt davon, wie nahe die jungen Sängerinnen Themen wie Depression, Angst und Sterben an sich herangelassen haben. Gespielt wird in der Reaktorhalle (Luisenstraße 37), das Publikum sitzt um einen Pool, aus dem es für die Akteurinnen keinen Ausweg gibt. ( Vorstellungen am 25. 10. und 27. 10, 19.30 Uhr, 29.10., 18 Uhr)

Die Prinzessin auf der Erbse als Musical: Mary Rogers "Once Upon a Mattress" hat im November Premiere. (Foto: Neue Gestaltung)

Wie viel Pech kann man haben? 1960 gehörte eine gewisse Mary Rogers mit "Once Upon a Mattress" zu den Nominierten für den begehrten Tony Award. Die Auszeichnung "Bestes Musical" holte dann aber ein anderer, ihr Vater Richard Rogers mit The Sound of Music , einem Mega-Welterfolg bis heute. Tochter Mary und ihre Persiflage auf Hans Christian Andersens Märchen "Die Prinzessin auf der Erbse" hingegen gerieten in Vergessenheit. Marianne Larsen, Leiterin Studiengangs Musical an der Akademie, hat ein Näschen für besondere Stoffe, die zu ihren Absolventen passen und die es wert sind, wiederentdeckt zu werden. Die Herrschaften vom Rechtevertreter Concord theatralics sahen das auch so, und erlaubten, was selten ist, dem Team um Regisseur Philipp Moschitz ein paar lustige Aufputzungen und Verheutigungen hier und da. Gesungen, gespielt und getanzt wird im Großen Haus des Prinzregententheaters, Premiere ist am 11. November (19.30 Uhr).

Das Festival forEverding!

Wo kommt sie her, was unterscheidet sie von anderen Gefühlen? Diese Fragen stellt das Stück "Wut", das jetzt beim "Festival forEverding!" zu sehen ist. (Foto: Cordula Treml)
Via Kopfhörer durch die Geschichte der Akademie: Der Masterstudiengang Dramaturgie hat den Audio Guide "Walking Memories" entwickelt. Zudem arbeitet die Bildungsstätte an einem ambitionierten Dokumentationsprojekt. (Foto: Cordula Treml)
Definitiv Highlights beim Tag der Offenen Akademie: Die spektakulären Arbeiten aus der Werkstatt des Studiengangs Maskenbild - Theater und Film. (Foto: Ulrich Wessel)

Gleich dreimal wird sich in dieser Jubiläumsspielzeit das Haus fürs Publikum öffnen. So etwas wie eine Leistungsschau aller Studiengänge soll beispielsweise das Festival "forEverding!" vom 30. November bis 2. Dezember sein, da sind dann acht Produktionen aus der vergangenen Saison zu erleben. Seine Internationalität will das Haus mit einem Gastspiel aus Paris zeigen, in dem sich fünf Darstellerinnen aus unterschiedlichen Ländern mit der Frage beschäftigen, was es bedeutet, heute in Europa zu leben.

Es wird Podiumsdiskussionen, Probenbesuche, Mitmachaktionen geben. Und Studierende des Masterstudiengangs Dramaturgie werden ihr Projekt Walking Memories vorstellen, mit dem sie die 30-jährige Geschichte der Akademie mit einem künstlerisch gestalteten Audiowalk erlebbar machen. Quasi undenkbar sind solche Events ohne die Präsentationen des Studiengangs Maskenbild - Theater und Film. Spektakuläre Arbeiten sind auch am Tag der offenen Akademie am 3. Februar, und bei einer speziell den Maskenbildnern gewidmeten Ausstellung vom 27. bis 30. Juni im nächsten Jahr zu sehen.

Der Mut zu scheitern

Mehr als 40 Produktionen entstehen jährlich an der Theaterakademie, hier eine Gestalt aus dem Stück "Querbalken". (Foto: Alvise Predieri)

Über 40 Eigenproduktionen bringen die Studierenden der Akademie pro Jahr auf die Bühne, oft bekommen diese Projekte, die sie in Gruppen selbstständig entwickeln, erst wenige Wochen vor der Premiere ihren endgültige Titel, wird an Szenen, Dialogen, Musik, Bühnenbildern oder Kostümen bis zum Schluss gefeilt. Das Theater ist hier fluider Prozess, Experiment, ergebnisoffen in Ausdruck und Form - mit allem Mut zu scheitern. Wer Theater in diesem spannenden Stadium erleben möchte, hat dazu über die gesamte Spielzeit jede Menge Gelegenheit. Etwa mit dem Regieprojekt "Schreifragmente" vom Yunus Wieacker, der in die intensive Bilder- und Gefühlswelt von Edvard Munch eintaucht (8. November, 19.30 Uhr, Akademietheater Mitte). Für das Stück mit dem Arbeitstitel "Die Schweigende Welt" war für Regisseur Jakob Altmayer wiederum der gleichnamige Dokumentarfilm von Unterwasserpionier Jaques Cousteau der Ausgangspunkt (20. März, 19.30 Uhr, Akademietheater Mitte).

An der Theaterakademie August Everding zu studieren, bedeutet in der Regel eine Vollzeitbeschäftigung, ein grundsätzliches Problem für die Studierenden in einer teuren Stadt wie München. Für Jobben nebenher bleibt da oft kaum Zeit. Die Einnahmen aus einer Benefizlesung am 9. Dezember (15 Uhr, Gartensaal) werden deshalb den Studierenden zu Gute kommen. Der Abend soll auch aus einem anderen Grund besonders ein: Johannes Everding, einer der vier Söhne des Gründers, hat einen bislang unbekannten Tagebucheintrag seines Vaters gefunden. Darin hat August Everding, er weilte grad im Urlaub, notiert, wie ihm die Idee zu seiner Akademie in den Sinn gekommen ist.

30 Jahre Theaterakademie August Everding, Näheres zum Programm unter www.theaterakademie.de

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