Kritik:In Auflösung

Theater Regensburg

Frauenduo: Katharina Solzbacher (li. am Boden) und Marlene Hoffmann (Mitte) sind am Theater Regensburg beide Peer Gynt. Hier werden sie flankiert von Gerhard Hermann und Thomas Weber.

(Foto: Martin Sigmund)

Am Theater Regensburg wird Ibsens Klassiker "Peer Gynt" überschrieben und neu gedeutet. Zwei Frauen schlüpfen in die Titelrolle - das hat Effekt.

Von Yvonne Poppek, Regensburg

Peer Gynt wird nicht erlöst. Am Ende des Abends steht Marlene Hoffmann tropfend nass und einsam auf der Bühne. Sogar die Musik ist verstummt, mit der Fiete Wachholtz mit filmischen Gespür für dramatische Steigerung die knapp drei Stunden umspült hat. "So soll denn alles von vorne beginnen?", fragt Hoffmanns Peer. Alles, das ist das Spiel einer Außenseiterin ohne Zukunft. Wie das im Regensburger Veldodrom aussehen könnte, kann man sich zu diesem Zeitpunkt ungefähr ausmalen. Der Wechsel von Auftritt, Monolog, Musik und Cut ist einigermaßen verinnerlicht. Doch das Spiel ist aus.

Julia Prechsl hat diesen Peer Gynt, genauer "Peer Gynt (she/her)" eingerichtet. Es ist eine Uraufführung, ein Auftragswerk des Theaters Regensburg, für das Maria Milisavljević Ibsens Klassiker überschrieben hat. Dazu hat sie das Personal deutlich geschrumpft, die Monologe ebenfalls, das Versmaß geändert oder ganz aufgelöst. Vor allem aber ist Peer Gynt kein Mann mehr, er wurde ausgetauscht gegen zwei Frauenfiguren, die junge und die alte Peer. Dieser Zugriff ist nicht ganz neu, Simon Stone hat ihn vor ein paar Jahren am Schauspielhaus Hamburg probiert.

In Regensburg hat Valentin Baumeister eine fantastische Bühne für diese Luftschlosswelten erträumende Peer gebaut. Der Boden ist von Wasser bedeckt, in mehreren Reihen teilen überdimensionale Fadengardinen wie Quallententakel den Raum. Es ist natürlich ein Reiz, hier durchzulaufen, das Wasser spritzen zu lassen, der Inszenierung dadurch tatsächlich etwas Traumhaftes, Irreales zu verleihen. Allerdings: Peer Gynt ist ein sehr monologlastiges Stück, auch bei Milisavljević. Und diese Monologe lässt Prechsl das Ensemble statisch sprechend, stehend an der Bühnenrampe, die Dynamik müssen die Szenenwechsel erzeugen oder die ein oder andere Troll- und Irreninteraktion.

Da gibt es dann schöne Bilder, von denen es hätten mehr sein können. Doch Prechsl setzt auf die Vereinzelung, die Gedankenschwere. Aus der Verschiebung, aus Peer Gynt eine Frau zu machen, zieht die Inszenierung keinen diskursstarken Nutzen, gleichwohl: Peer Gynt, diesen Egomanen, der sich alles nimmt, als Frauenrolle gedeutet zu sehen, hat einen Effekt, führt die immer noch verkrustete Geschlechterzuschreibungen vor Augen. Das liegt natürlich auch an der starken Ausdeutung von Marlene Hoffmann und Katharina Solzbacher als junge und alte Peer und an der Spielfreude des gesamten Regensburger Ensembles.

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