Theater:Jockel und die Vegetarier

Theater: Allesamt keine Profis, aber mit Herzblut beim Tierschutztheater dabei: Eine idealtypische bayerische Familie streitet um Fleisch und seine Alternativen auf dem Teller.

Allesamt keine Profis, aber mit Herzblut beim Tierschutztheater dabei: Eine idealtypische bayerische Familie streitet um Fleisch und seine Alternativen auf dem Teller.

(Foto: Robert Haas)

Das Tierschutztheater nutzt Gelegenheiten wie die Osterfeiertage für plakative Auftritte. Die Aktiven üben Kritik an Massentierhaltung, Pelzen und Tierversuchen - und sie werben für vegane und vegetarische Ernährung

Von Anna-Leandra Fischer

Wie kann man Menschen für das Thema Tierschutz sensibilisieren? Wie man sie überhaupt erreicht, fragten sich 2009 die Organisatoren des Tierrechtstags in kleiner Runde. Kathrin Eva Schmid, selbst noch nicht lange im Team, schlug spontan vor, ein kleines Theaterstück aufzuführen. Sie schlüpfte schon damals gern in neue Rollen. Aus dem Zwischenruf wurde eine 15-minütige Open-Air-Vorstellung mit sieben Mitwirkenden aus Schmids früherer Theatergruppe. Eigentlich habe das nur eine einmalige Sache sein sollen, sagt die 37-Jährige. "Das Tierschutztheater war nie geplant." Jetzt existiert es schon seit zehn Jahren.

An diesem Samstag vor Ostern schlendern die üblichen Touristenmassen über den Marienplatz. Auf dem Platz sind Stände aufgebaut, bunte Banner zeigen Aufschriften wie "Pro Regenwald" und "Tiere haben Rechte". Unter dem Motto "Ostern vegan" informieren Tierschutzorganisationen und Vereine, wie das Osterfest auch ohne tierische Produkte gefeiert werden kann. Dort ist auch das Tierschutztheater vertreten. Der Pavillon steht neben der aufgebauten Bühne, direkt vor dem Rathaus. Viele Touristen laufen einfach vorbei. Manche nehmen sich eine Broschüre mit, andere aber kommen mit der Vorsitzenden Kathrin Eva Schmid und den anderen Aktiven ins Gespräch.

Das Tierschutztheater feiert 2019 neben seinem zehnjährigen Bestehen auch fünf Jahre als eingetragener Verein. Es ist "eine Mischung aus darstellender Kunst und Idealismus", so die Webseite. Die meisten Darsteller sind Veganer und Vegetarier - manche aber auch Fleischesser. Der Verein habe 20 Mitglieder, sagt Schmid, aktiv seien mehr als 40 - als Grafikdesigner, Requisiteure, Transporteure und natürlich Schauspieler. Was sie vereint: die Liebe zu Tieren. In ihren Stücken geht es um Kritik an Massentierhaltung, an Pelzen und Tierversuchen.

Vor dem Stand des Tierschutztheaters ist ein kleiner Tisch gedeckt: ein "blutiges Dinner". Dort sitzen Harald Matzke und Anna Maierhofer, zwei Darsteller. In einer Art statischem Schauspiel essen sie von ihren Tellern, mit blutverschmierten Händen. (Kunst-)Blut rinnt ihnen aus den Mundwinkeln. Auf dem Tisch liegt ein Schweinskopf aus Plastik - ebenfalls mit Blut bedeckt. Die Szene solle zeigen, "dass das Essen von Fleisch mit Blutvergießen verbunden ist", sagt Schmid. Um Aufmerksamkeit zu gewinnen, muss man offenkundig überdeutlich, ja radikal sein. Immer wieder bleiben Menschen stehen und schauen sich das Dinner an - meist aus sicherer Entfernung.

Am Samstag führt die Gruppe drei kurze Stücke auf der Bühne auf dem Marienplatz auf. Kathrin Schmid hat sie alle selbst geschrieben. Sie gehören zur "Jockel"-Serie und handeln von einer bayerischen Familie, deren Tochter Lisa (gespielt von Anna Maierhofer) Veganerin ist. Über die vermeintliche Entartung des Kindes sind Vater und Mutter (gespielt von Harald Matzke und Angelika Selbmann) nicht erfreut.

Beim Auftritt merkt man der Gruppe an, dass sie Spaß am Schauspiel hat. Profis sind die Darsteller natürlich nicht - aber das wollen sie auch gar nicht sein. Das Bühnenbild ist dementsprechend einfach. Die Verkabelung für die Mikrofone klappt nicht auf Anhieb. Ein Versprecher lässt das Publikum vor der Bühne schmunzeln. Aber nach dem Auftritt gibt es Applaus. Und das ist das Wichtigste für die Schauspieler: dass sie die Menschen mit ihrem Thema erreichen können.

Mittlerweile zeigt der Verein einmal im Jahr ein großes Stück als "Theater Rampensau". Bei Aktionstagen in München und in anderen deutschen Städten - Berlin, Augsburg, Stuttgart - ist der Verein mit Infoständen vertreten. Auch dort spielen die Mitglieder kurze Stücke. Otto Zrenner, Organisator von "Ostern vegan", freut sich, wenn das Tierschutztheater bei seinen Veranstaltungen auftritt. "Dadurch bringt man den Menschen unser Anliegen auf eine andere Weise nahe", sagt er.

Zurück auf der Bühne: In der "Wirtsstubn" wollen die Eltern Lisa davon überzeugen, doch wieder Fleisch zu essen. Den Witzen des Vaters, dass Pflanzen auch Lebewesen seien, kann Lisa Wissen entgegenhalten. Für ein Kilogramm Fleisch müsse man 16 Kilogramm Pflanzen verfüttern, sagt sie. Was sei nun besser? Während der Diskussion hat der Vater statt Fleisch versehentlich Fleischersatz serviert bekommen - und das nicht einmal gemerkt. Nun ja. Die Botschaft ist sehr plakativ und natürlich zugespitzt, denn das Tierschutztheater will bekehren. Das schafft es nicht immer, längst nicht alle können etwas mit den Forderungen anfangen - vor allem mit den weitgehendsten. Zumindest räumt das Theater mit Vorurteilen auf und stellt sie ironisch dar. Den Stoff nimmt Schmid aus ihrem eigenen Alltag: "Das sind die ganzen Sprüche, die ich mir als Kind von meinen Eltern anhören musste."

Unter dem Pavillon auf dem Marienplatz steht Johanna Hinkel. Dort hält sie die Stellung, während die anderen auf der Bühne stehen. Die 24-Jährige ist erst seit Oktober 2018 ein Teil der Gruppe. Sie lebe schon länger vegan, "aber irgendwann kommt der Moment, in dem man selbst auch aktiv werden will", sagt sie. Später hilft ihr auch noch Luise Blücher. Das jüngste Mitglied der Gruppe ist erst 13 Jahre alt, aber schon seit drei Jahren aktiv dabei. Informiert hat sie sich damals über das Internet, und seitdem hat sie immer wieder selbst kleinere Rollen übernommen.

Mit den Auftritten habe sie das Gefühl, etwas nachhaltig verändern zu können, sagt Luise Blücher. Vielleicht findet sich auch noch ein fester Platz zum regelmäßigen Üben. "Ein Vereinsheim fehlt uns noch", sagt Schmid. Ein erstrebenswertes Ziel für die nächsten zehn Jahre.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: