Kritik:Happy Birthday, Grundgesetz!

Kritik: Wissbegierig und in Feierlaune: Max Mehlhose-Löffler, Barbara Krebs und Juliane Böttger in "GRNDGSTZ".

Wissbegierig und in Feierlaune: Max Mehlhose-Löffler, Barbara Krebs und Juliane Böttger in "GRNDGSTZ".

(Foto: Jochen Quast)

Das Theater Erlangen feiert verspätet, aber fantasievoll unterhaltsam die Verfassung.

Von Florian Welle, Erlangen

Annalena und Konstantin Küspert feiern in ihrem vierten gemeinsamen Stück unsere erfolgreiche Verfassung. Ursprünglich war "GRNDGSTZ" vor drei Jahren zum 70. Jahrestag des Grundgesetzes geplant. Dann sollte es 2021 zur Uraufführung kommen. Coronabedingt hat es nun ein Jahr später in der Regie von Helge Schmidt seinen Weg auf die Bühne des Theaters Erlangen gefunden.

"GRNDGSTZ" ist eine dramatische Steilvorlage für einen experimentierfreudigen und fantasiebegabten Regisseur wie Schmidt: Es besitzt mehr als 30 Rollen, um sieben Jahrzehnte in einem atemberaubenden Tempo Revue passieren zu lassen, in denen die Verfassung allen Debatten zum Trotz Garant für die Stabilität in unserem Land geworden ist. Der SPD-Verfassungsrecke Carlo Schmid nimmt ebenso Gestalt an wie die Demokratie, der Bundesadler und verschiedene prominente Artikel des Grundgesetzes wie zum Beispiel der Asylrechts-Artikel 16a. Daneben haben Gott, Sigmund Freud und Goethes Mephistopheles noch ein Wörtchen mitzureden, aber auch ganz irdische Personen wie der bayerische Innenminister Joachim Herrmann und der Jurist und Betreiber des "Verfassungsblogs" Maximilian Steinbeis.

Damit sollte hinlänglich klar sein, dass das Stück weit entfernt ist von trockener Juristerei, sondern sein Thema zwar durchaus ernst nimmt, es aber in sehr viel Witz und Irrwitz packt. Die lose Handlung: Eine recht unbedarfte Laiengruppe trifft sich, um eine Gala zum mittlerweile 73. Geburtstag der Verfassung auf die Beine zu stellen. "Was zum Lachen, was zum Lernen" soll es werden. Jeder will glänzen, jeder hat eine andere Idee, was dann auch die Aufritte verpeilter Engel oder Gartenzwerge erklärt. Kurz: Es geht munter drüber und drunter.

Paillettenfummel, Glitterregen und Musiknummern

Sechs Schauspielerinnen und Schauspieler, denen man zu jeder Zeit anmerkt, wie viel Spaß ihnen die Nummern-Revue bereitet, bestreiten im Markgrafentheater das Rollenüberangebot, wechseln ständig die Kostüme. Galaabend meint ja auch: Paillettenfummel, Glitterregen und Musiknummern. Es wird viel und gut gesungen, solo und im Chor. Heines Gedicht "Frieden" ist darunter oder ganz Neues wie "Wenn ich groß bin" von Max Czollek.

Helge Schmidt liefert zusammen mit dem für Bühne und Kostüm zuständigen Duo Anika Marquardt und Lani Tran-Duc ein knapp zweistündiges Spektakel, das schließlich stürmisch bejubelt wird. Bei allem Humor, der Stück und Inszenierung auszeichnet, darf nicht vergessen werden, dass hier auch sehr viel Grundsätzliches verhandelt wird. Es wird der Konflikt zwischen Kunstfreiheit und Persönlichkeitsrecht angeschnitten, nach der verfassungsrechtlichen Gleichberechtigung von Frauen und Menschen mit Handicap gefragt und der große Lauschangriff als überdimensionales Ohr auf der Bühne versinnbildlicht. Zuletzt steht die Bedrohung der Judikative durch ihre Aushöhlung im Raum, wie man sie in EU-Ländern wie Ungarn und Polen beobachten kann.

Am Ende des ebenso kurzweiligen wie klugen Abends sollte klar sein: Das Grundgesetz ist eine Erfolgsgeschichte, aber kein Selbstläufer. Es erfordert unsere stete Wachsamkeit, um es immer wieder aufs Neue gegen die Feinde der Demokratie zu verteidigen.

"GRNDGSTZ", nächste Aufführung: Mo., 21. März, 19.30 Uhr, Markgrafentheater, Erlangen

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