Frauen spielen in der Show „The Choir Of Man“ keine Rolle, das heißt aber nicht, dass sie nicht auf die Bühne dürfen. Jede und jeder kann hier eine blumige kleine Vorstellung abgeben – und wird dafür sogar mit einem Bier belohnt. Das muss man erklären. Das Singalong-Stück aus dem Londoner Westend spielt nicht nur in einem Pub namens The Jungle, es ist auch eine tatsächlich funktionierende Bierzapfstelle auf der Bühne eingerichtet. Und wer früh genug im Saal ist, darf sich vorn sein Getränk abholen. Wer zu spät dran ist, könnte immer noch von den Darstellern auf die Bühne geholt und – mit gefülltem Krug in der Hand – ins Stück eingebaut und angesungen werden.
Das kommt also dabei heraus, wenn ausschließlich Männer sich ein Musical ausdenken. Aber es kommt an. Dieser überschäumende Spaß fand zuerst viele Freunde bei der Premiere beim Edinburgh Fringe Festival 2017, gewann zwei Preise im Flamingo-Zelt des Theaterfestes von Adelaide 2018, wurde im Sydney Opera House ebenso gefeiert wie im Kennedy Center in Washington, checkte dann eine Weile auf zwei norwegischen Kreuzfahrtschiffen ein, bevor er von 2021 an im Arts Theatre im Entertainment-Quartier Westend zu Dauertrunkenheit führte. Musical-Fans, die zuletzt London besuchten, mussten dieses kultisch verehrte Stück einfach gesehen haben.
Gerade wird das Bühnen-Pub dort renoviert. Das Original-Stück der Autoren Nic Doodson und Andrew Kay und die Darsteller, die alle schon mal im Westend gespielt haben, gehen auf Europa-Tour – in englischer Sprache. Ihr einziges Gast(haus)-Spiel in Deutschland geben sie im Deutschen Theater in München. Hier boten sie schon in der Faschingssaison auf dem „Ball total“ eine grandiose Einlage – dass Augustiner Bier aus dem Hahn floss, schien sie nur zu beflügeln.
Im Deutschen Theater wird „The Choir Of Man“ schon seit seiner Ankündigung angepriesen als Antwort auf den Publikumsliebling von 2024: „Six“. Das passt insofern, da damals bei diesem Revue-Stück aus London sechs Frauen in archetypischen Rollen (alle Ehefrauen Heinrichs VIII.) mit poppig inspirierten Songs auftrumpften. Diese Chorknaben nun singen und spielen (auf Gitarre, Ukulele, Klavier und so weiter) allerdings altbekannte Pop-Songs, alles Hits in Pubs und Karaokebars: Sie begrüßen die Gäste mit „Welcome To The Jungle“ von Guns N’ Roses, werden ganz rührselig mit Adeles „Hello“, marschieren voran mit „500 Miles“ von den Proclaimers, schwingen sich als A-cappella-Ensemble auf mit „Chandelier“ von Sia und stehen alle aufgereiht beim Pinkeln an einem mobilen Urinal und singen „Under The Bridge“ von den Red Hot Chili Peppers. Britischer Humor eben.

Der Sinn des Singens wird so erklärt, dass dieses Pub nicht wie andere einen Darts-oder Billard-Club hat, sondern eben einen Kneipenchor. Ansonsten gibt es keine Handlung – und doch wird viel gesprochen (was auch wiederum zu einem Trinkabend unter Freunden passt). Die Monologe der Charaktere, die hier Spitznamen wie Joker, Beast, Hard Man, The Romantic oder The Pub Bore (der Langweiler) tragen, hat Ben Norris verfasst, der in Großbritannien einige angesehene Poetry-Slams gewonnen hat. Wer mag, kann sich das wie die Höhlenmenschen-Gesellschafts-Satire „Caveman“ vorstellen (bei der es ja bisweilen auch Bier für die erste Reihe gibt), nur eben aufgeteilt auf neun unterschiedliche Trunkenbolde, die dazu Step-tanzen und singen.
Das ist, so legen Erfahrungsberichte aus London nahe, hochgradig infektiös und animiert zum Mitmachen. Und man kann ja auf die Bühne, wenn man mag und aufgefordert ist. Aber keine Bange, wie in jedem guten Pub kann man sich auch einfach zurücklehnen und sich beduseln lassen. „Wir haben schon ein gutes Auge und sehen genau, wer an so etwas Spaß hat und wer lieber nur zuschauen möchte“, sagt Connor Hanley. Für ihn und die anderen Darsteller seien die Besucher nicht einfach Publikum, sondern neue Freunde, mit denen man gemeinsam feiern möchte. Na dann Prost.
The Choir Of Man, 19. bis 23. März, München, Deutsches Theater