Im Rechtsstreit mit dem Eigentümer Uwe Binnberg (Binnberg Architekturentwicklung) um die Gestaltungshoheit auf dem Gelände des ehemaligen Isartalbahnhofs Thalkirchen hat die Stadt München einen weiteren Rückschlag hinnehmen müssen. Der zweite Senat des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (VGH) hat ihren Antrag auf Zulassung der Berufung gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts abgelehnt. Schon das Verwaltungsgericht hatte die Einwände der Lokalbaukommission gegen das Binnberg-Bauvorhaben auf dem gut 1,3 Hektar großen Areal und die damit verbundene Verweigerung eines Vorbescheids zurückgewiesen.
Auch die höhere Instanz kann der Argumentation der Stadt nicht folgen. Das Urteil des Erstgerichts, heißt es in dem Beschluss des VGH, lasse keinen ernstlichen Zweifel an seiner Richtigkeit zu. Genau genommen handelt es sich um drei VGH-Verfahren, weil die Vorbescheide jeweils mit unterschiedlichen Lagen der Gebäude auf dem Grundstück beantragt worden waren. Zwar sagte ein Sprecher des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs auf SZ-Anfrage, die abgelehnte Berufung sei noch keine abschließende Entscheidung über die tatsächliche Errichtung der von Binnberg geplanten Neubauten beim denkmalgeschützten Bahnhofs-Ensemble. Ob diese bauordnungsrechtlich zulässig sind und ob denkmalschutzrechtliche Belange das Vorhaben möglicherweise am Ende doch zu Fall bringen, bleibe nachfolgenden Baugenehmigungsverfahren vorbehalten. Dennoch stimmen Verwaltungsjuristen und Kommunalpolitiker in der Bewertung überein, dass das juristische Scheitern der Stadt auf dieser Ebene die Steuerung der Entwicklung am ehemaligen Isartalbahnhof zumindest erschweren dürfte.
Der Bezirksausschuss Thalkirchen-Obersendling-Forstenried-Fürstenried-Solln und viele Bürger des Stadtteils teilen die Einschätzung, eine Realisierung der beiden beantragten Bürogebäude mit bis zu drei Vollgeschossen plus Tiefgarage würden dem denkmalgeschützten Bahnhofsensemble viel von seiner historischen Wirkung nehmen, die Verkehrsprobleme im Stadtteil verschärfen, den Wasserhaushalt des benachbarten Mühlbachs sowie des Naturfreibads Maria Einsiedel stören und einem folgenschweren Eingriff ins nahe Landschaftsschutzgebiet Isarauen gleichkommen.
Etliche Bäume müssten einer zusätzlichen Versiegelung weichen, warnten die Lokalpolitiker bereits im März 2021. Unterm Strich sei mit "schwerwiegenden ökologischen Folgewirkungen" zu rechnen, sollten die "völlig überdimensionierten" Binnberg-Pläne aufgehen. Erinnert wird an Vereinbarungen mit der Voreigentümerin, der DB-Grundstücksverwertungsgesellschaft Vivico, die den ungeschmälerten Erhalt der Baudenkmäler und Grünflächen am Isarwinkel 4 beinhalte und an die sich auch der heutige Eigentümer halten müsse.
Das Planungsinstrumentarium, das die Lokalbaukommission als Vertreterin der Stadt in der Streitsache aufbot, hielt der gerichtlichen Überprüfung indes nicht stand. Wie das Amtsgericht betont auch der VGH etwa die Unwirksamkeit einer Ausweisung als sogenanntes Kerngebiet für den Isarwinkel in Thalkirchen. Das "vergleichsweise kleine Gebiet" weise einen solchen Charakter nicht auf, heißt es im Beschluss des zweiten Senats. In Kerngebieten spielen die Abstandsflächen zwischen Gewerbe- und Wohnbebauung eine zentrale Rolle. Zutreffend sei das Amtsgericht von einer dezentralen Lage im Stadtrandbereich ausgegangen, konstatiert vielmehr der VGH. Auch die zahlreichen Freizeitattraktionen in der Gegend belegten, "dass die Entwicklung zu einem Kerngebiet fernliegend ist".
Im Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs ist ferner sogar von der "Unwirksamkeit des Bebauungsplans" die Rede und davon, dass das Erstgericht das Bauprojekt zu Recht als zulässig erachte. Der VGH verweist auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts: Danach hänge die Beantwortung der Frage, ob ein Grundstück im Innen- oder im Außenbereich liegt, davon ab, wie weit eine aufeinander folgende Bebauung trotz etwa vorhandener Baulücken den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittle. Die Abgrenzung zwischen Innen- und Außenbereich lasse sich folglich nicht nach allgemein gültigen, etwa geografisch-mathematischen Maßstäben treffen, sondern nur aufgrund einer "umfassenden Würdigung der gesamten örtlichen Gegebenheiten, insbesondere der optisch wahrnehmbaren topografischen Situation und der Umgebungsbebauung".
An diese Vorgaben habe sich das Verwaltungsgericht gehalten, bestätigt der Verwaltungsgerichtshof (Aktenzeichen 2 ZB 20.102, 2 ZB 20.103, 2 ZB 20.105).