Thalkirchen:Kunst auf Zeit

Wo vor noch ein paar Jahren Koffer und Rollläden gefertigt wurden, eröffnen nun die "Fraunberg Ateliers". Mindestens bis 2021 finden dort Künstler und Studenten günstige Räume für ihre Kreativität. Am Samstag ist Tag der offenen Tür

Von Jürgen Wolfram, Thalkirchen

Fast ein Jahrzehnt lang ist auf dem Gelände in Top-Lage nichts passiert. Leerstand, Stillstand, Freiflächen-Verwilderung. Doch seit ein paar Wochen erwachen das Anwesen an der Fraunbergstraße 4 und der Schäftlarnstraße 178 sowie ehemalige Betriebsgebäude zu neuer Vitalität. Ehe die kommunale Wohnungsbaugesellschaft GWG hier neue Wohnungen und eine Kita errichtet, womit vor 2021 nicht zu rechnen ist, hält im Zuge einer Zwischennutzung die Kunst Einzug. Wo einst ein Rollladen-Betrieb, eine Kofferfabrik und noch davor eine Druckerei ihren Sitz hatten, entstehen die "Fraunberg Ateliers". Ein neues Graffito an der Außenmauer wirkt schon wie der passende Weckruf für das Vorhaben - es zeigt zwei Hähne.

Thalkirchen: Das Anwesen an der Fraunbergstraße 4 und der Schäftlarnstraße 178 sowie ehemalige Betriebsgebäude erwachen zu neuer Vitalität.

Das Anwesen an der Fraunbergstraße 4 und der Schäftlarnstraße 178 sowie ehemalige Betriebsgebäude erwachen zu neuer Vitalität.

(Foto: Catherina Hess)

Um eine befristete Nutzungsüberlassung des Geländes im Herzen von Thalkirchen haben sich viele bemüht. Am Ende hatte der Immobilienentwickler und gelernte Architekt Tobias Sehr das überzeugendste Konzept und den längsten Atem in den Verhandlungen mit den städtischen Behörden.

Die Idee mit den Ateliers ist schon vier Jahre alt, doch der Weg zur Realisierung erwies sich aus vielerlei Gründen als steinig. Eröffnet werden auch nicht zehn Künstlerwerkstätten, wie ursprünglich geplant, sondern aus Brandschutzgründen nur fünf. Tobias Sehr ist dennoch erleichtert. "Natürlich hätte ich mir eine kulturell-kreative Zwischennutzung für fünf Jahre und mit mehr Räumen gewünscht. Aber auch so habe ich die Chance, mich gegenüber der Stadt zu beweisen", sagt er. Insofern lohne sich der ganze Aufwand.

Thalkirchen: Treibende Kraft: Tobias Sehr hat sich mit seinem Konzept für die kulturelle Zwischennutzung durchgesetzt.

Treibende Kraft: Tobias Sehr hat sich mit seinem Konzept für die kulturelle Zwischennutzung durchgesetzt.

(Foto: Catherina Hess)

Eröffnet werden die Ateliers sowie ein großer Ausstellungsraum am Samstag, 19. Oktober. Für die bereits feststehenden beteiligten Künstler ist dies allemal ein Grund zum Feiern. Denn Josephine Kaiser, Christian Hundemark, Markus Henning, Matthias Edlinger, Patrick Hartl und Sebastian Wandl - alle haben sich in München, Wien und anderswo bereits einen Namen gemacht -, finden nach langer Suche endlich ein Arbeitsdomizil, das mit sieben Euro pro Quadratmeter und Monat obendrein erschwinglich ist. Die kleine Künstlergemeinschaft kennt sich untereinander schon länger, was Tobias Sehr die Koordination erleichtert.

Thalkirchen: Die großzügigen Räume mit Charme werden günstig angeboten.

Die großzügigen Räume mit Charme werden günstig angeboten.

(Foto: Catherina Hess)

Wenn sich die Türen der renovierten Räumlichkeiten am 19. Oktober von 14 bis 21 Uhr öffnen, hängen bereits jede Menge Bilder an den Wänden. Zudem stehen ein Workshop und eine Aktion für Kinder auf dem Programm. Gern gesehen sind ferner die Senioren aus dem Viertel, für die über kurz oder lang ebenfalls Angebote entwickelt werden sollen. "Wir wollen hier ja nicht die Alleinbetreiber sein", betont Sehr. Es klingt wie eine Einladung an die gesamte Nachbarschaft, mal vorbeizuschauen und mitzumachen.

Thalkirchen: Die Fenster gehen in Richtung St. Maria.

Die Fenster gehen in Richtung St. Maria.

(Foto: Catherina Hess)

Der Nutzungsvertrag zwischen der Stadt und Tobias Sehr läuft für das Hauptgebäude bis Ende 2020. Doch der 43-jährige Immobilienentwickler hat seine Hand ebenso nach der Baracke an der Schäftlarnstraße ausgestreckt. Bis Juni 2020 darf er hier auf 300 Quadratmetern Fläche Werkplätze für Studenten der Kunstakademien offerieren, mehr ist aus Versicherungsgründen nicht möglich.

An Auflagen und Einschränkungen hat Sehr sich bei diesem Vorhaben rasch gewöhnen müssen. Gedanken an Gastronomie und Partytreiben dürfen gar nicht erst aufkommen, sieht man von vier genehmigten Festen pro Jahr einmal ab, zudem muss die "künstlerische Qualität" stimmen. Und im Hof vermietet die Stadt noch einen Lagerplatz, wo man sich durchaus andere Outdoor-Aktivitäten vorstellen könnte. Immerhin trägt sie die Instandsetzungskosten von 40 000 Euro. Strom- und Wasserleitungen, neue Fenster und Türen haben ihren Preis. An der Heizung wird gegenwärtig noch gearbeitet. Dankbar ist der Initiator, ein waschechter Münchner übrigens, nicht zuletzt dem örtlichen Bezirksausschuss und auch der GWG, die es an Unterstützung nicht hätten fehlen lassen, wie er lobend erwähnt.

Aber wie ist das so, wenn der berufliche Zeithorizont in kaum anderthalb Jahren schon wieder endet? Eine Frage, die Tobias Sehr schon oft gehört hat, seit er im März den Zuschlag erhielt. Dabei weiß er längst, wie's nach 2020 weitergehen soll: "Langfristig würde ich gern Ateliers mit günstigen Wohnungen schaffen. Denn das ist, was Münchens Künstler am dringendsten benötigen."

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