Der vergangene Mittwoch sei einer der schlimmsten Tage seines Lebens gewesen, sagt Terry Swartzberg. An diesem Tag hat Münchens Stadtrat beschlossen, dass auch in Zukunft keine Stolpersteine auf städtischem Grund verlegt werden dürfen. Für Swartzberg ist es eine schmerzhafte Niederlage. Skandalös sei die Entscheidung, sagt er. Ein schwarzer Tag, nicht nur für ihn, sondern für die Demokratie und überhaupt für das Erinnern in München.

Stolpersteine in München:Streit ohne Ende
Nach dem Votum des Stadtrats gegen Stolpersteine auf öffentlichem Grund nimmt die Debatte an Schärfe noch zu: Die Befürworter planen neben Klage und möglichem Bürgerbegehren weitere Aktionen.
Swartzberg ist das Gesicht all derer, die für Stolpersteine in München kämpfen. Der 62-jährige gebürtige US-Amerikaner lebt seit 30 Jahren in der Stadt, seit fünf Jahren leitet er die Initiative "Stolpersteine für München". Swartzberg ist PR-Berater und Journalist, er liebt das Plakative. Er führt die Initiative wie eine Kampagne, unermüdlich und mit Leidenschaft. Was er kann, ist, Menschen für sich einzunehmen. Seine Internet-Petition für Stolpersteine zählt mehr als 99 000 Unterstützer. Was er nicht kann, ist: sich abfinden mit Dingen, die ihm nicht passen.
Ein jüdischer Münchner aus den USA
Es gibt jüdische Münchner, die ihre Kippa absetzen, bevor sie ins Freie treten, aus Angst davor, belästigt zu werden. Swartzberg dagegen trägt seit mehr als zwei Jahren in der Öffentlichkeit stets eine Kippa. Er wollte nicht den Kompromiss, sondern die Probe aufs Exempel, und er behielt recht. Behelligt worden sei er nie, sagt er.

Gedenken an NS-Opfer:Münchner Stadtrat lehnt Stolpersteine ab
Die Entscheidung ist gefallen: In München wird es keine Stolpersteine zum Gedenken an die NS-Opfer geben. Damit ist auch der Kompromissvorschlag des Kulturreferenten vom Tisch.
Jetzt steht er vor der Wahl, sich mit dem Nein Münchens zu Stolpersteinen abzufinden, sich auf Stelen oder Gedenktafeln einzulassen, also auf andere Formen der Erinnerung als auf die eine, für die er steht. Er wird es nicht tun. Er werde seine Kampagne fortführen, kündigt er an. Er sagt "Kampagne", obwohl das Wort nach Stimmungsmache klingt. Aber es trifft. Swartzberg spitzt Vorwürfe gerne zu. Und zuweilen scheut er auch vor Halbwahrheiten nicht zurück.
Swartzberg befeuert die Hysterie
Als der Münchner Stadtrat am Mittwoch sein Nein bekräftigte, da schallte es durchs Netz: München, dieses reaktionäre Nest, die frühere "Hauptstadt der Bewegung" der Nazis, wolle nicht an deren Mordopfer erinnern. Und Swartzberg befeuerte die Hysterie. Es sei ein "guter Tag für die vielen Menschen, die einen Schlussstrich unter die Verbrechen von Nazi-Deutschland ziehen wollen und sich über Streit und Zwietracht in der Holocaust-Erinnerungsgemeinschaft freuen", teilte er mit. Dass es auch ein guter Tag für die vielen Menschen war, denen das Andenken an die Opfer der Nazis nicht weniger am Herzen liegt als ihm, die aber Stolpersteine für eine kommerzialisierte und würdelose Form des Gedenkens halten, das sagte er nicht. Stattdessen sprach er davon, der Stadtrat bevorzuge die orthodoxe Israelitische Kultusgemeinde gegenüber seiner eigenen, kleineren und liberalen Gemeinde.

Stolpersteine in München:Ein steiniger Weg
Darf auf öffentlichem Grund mit Stolpersteinen der Opfer der Nazis gedacht werden? Die Debatte darüber ist in München so aufgeheizt wie nirgendwo sonst. Höchste Zeit für verbale Abrüstung - vier Wochen bleiben noch.
Am Donnerstag beantragten Angehörige von Opfern bei der Stadt, Stolpersteine zu verlegen. Wird das abgelehnt, was zu erwarten ist, können sie klagen. Swartzberg unterstützt die Idee. Er will sich nicht abfinden.