Tennis:Wachsen im Wohlfühlambiente

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„College-Atmosphäre herrscht noch nicht“: Der Weltranglisten-173. Yannick Hanfmann ist als erster Profi in sein neues Apartment eingezogen. (Foto: Hübner/imago)

Die erweiterte Tennisbase in Oberhaching will künftig neben den Profis mehr jüngere Talente an sich binden - ein Rundgang durch die neue Anlage.

Von Sebastian Winter, Oberhaching

Yannick Hanfmann kommt der Besuchergruppe am späten Mittwochmorgen durch den Flur entgegen - und muss erst einmal schmunzeln. "Boah, seid ihr viele, da sind doch gar nicht so viele Plätze frei", sagt der 28-jährige Tennisprofi. Hanfmann meint den Loungebereich der vier neuen Apartments, in den der Bayerische Tennis-Verband (BTV) geladen hat, um die erweiterte Tennisbase in Oberhaching vorzustellen. Der Raum ist so funktional wie gemütlich, Sofas in der Ecke, Flachbild-TV an der Wand, großer Kühlschrank, langer Ess- und Besprechungstisch. Als Hanfmann, der am Montag als erster Profi im modernisierten Leistungszentrum südlich von München eingezogen ist, später in der Lounge gefragt wird, ob ihn die Atmosphäre an seine Collegezeit in den USA erinnere, sagt der einstige Weltranglisten-99.: "Ich wohne gerade ja noch alleine hier, College-Atmosphäre herrscht daher noch nicht." Hanfmann lobt zugleich sein "schön eingerichtetes Apartment, und wenn ich wie gestern um sieben Uhr Training habe, kann ich um halb sieben aufstehen und in die Halle runterlaufen. Das ist extrem angenehm."

13,5 Millionen Euro kostet die Erweiterung - 25 Prozent mehr als ursprünglich geplant

Bauabschnitt eins ist fertig, der zweite Teil steht bis Sommer 2020 ebenfalls. Neue Kernstücke der Base sind neben den Apartments eine Kleinsporthalle, der ultramoderne Fitnessraum, ein Großraumbüro für die Trainer, Verwaltungsbüros, zusätzliche Sozial- und Aufenthaltsräume für das Internat sowie Arzt- und Physiotherapiepraxen. 13,5 Millionen Euro hat sich der BTV das alles kosten lassen, davon finanziert er rund neun Millionen über Kredite, jeweils eine Million steuern Land, Bund und BTV aus seiner Kasse bei. Die Kosten sind 25 Prozent höher als ursprünglich veranschlagt, zugleich ist die Erweiterung nach Ansicht der Verantwortlichen längst überfällig gewesen.

Die neue Kleinsporthalle etwa: Hier trainiert gerade der Unterschleißheimer Jeremy Schifris, 18, seine Grundathletik und Schnelligkeit, indem er einen großen Medizinball mit Rückhandschwung immer wieder gegen die Wand schleudert. "Genau das hat uns noch gefehlt", sagt Bundesstützpunktleiter Martin Liebhardt über die neue Halle. Ein paar Meter weiter den Gang entlang kommt man ins noble Fitnesszentrum. Kurzhanteln in den unterschiedlichsten Gewichtsklassen liegen fein sortiert in einer Reihe, ansonsten bestimmen Laufbänder, Fahrradergometer und Crosstrainer das Bild. Und eine spezielle Zugmaschine, die per Druckluft betrieben wird - und alleine knapp 10 000 Euro kostet. "Das hier ist ein Segen, die Bedingungen werden viel besser zum Arbeiten", sagt Lars Uebel, Chefcoach beim BTV für den Profisport.

Neben Hanfmann werden Uebel und Bundestrainer Michael Kohlmann kommende Woche auch Kevin Krawietz, den Neunten der Doppel-Weltrangliste und French-Open-Sieger, Philipp Kohlschreiber und Rudi Molleker in Oberhaching begrüßen. Außerdem kommt Julia Görges regelmäßig vorbei, alle bereiten sie sich in Oberhaching auf die Australien Open vor.

Das größte Augenmerk soll aber in der Base, dem größten der vier deutschen Bundesstützpunkte (neben Hannover, Stuttgart und Kamen) auch weiterhin auf der Jugendförderung liegen. "Für die Jungen ist es ganz wichtig, zu den Profis aufzuschauen, da muss beides Hand in Hand gehen", sagt Bundestrainer Kohlmann, und zwar künftig wenn möglich erfolgreicher und intensiver als bisher. Denn an der Base und den anderen Stützpunkten schauen noch zu wenige Talente zu den erfolgreichen ATP-Tour-Profis auf. Und es stoßen zu wenige Junioren international in die Spitze. DTB-Sportdirektor Klaus Eberhard berichtet in Oberhaching in diesem Zusammenhang, es sei "ein Fehler gewesen, die U14 und die Jüngeren bislang komplett den Landesverbänden zu überlassen. Wir waren dadurch zu spät, um international Anschluss zu finden". Eberhard wünscht sich also, dass mehr junge Talente an den Stützpunkten - auch in Oberhaching - zusammengezogen werden.

Für die U-18-Junioren stehen 14 Apartments im Tennisinternat zur Verfügung, das schon vor der Erweiterung existierte, dort kommt nun noch ein neuer Aufenthalts- und Essbereich hinzu. Seit September gibt es auch ein Fördertraining für Zehn- bis 13-Jährige an der Base, dienstags bis donnerstags zwischen 14 und 20 Uhr. Mädchen seien natürlich ebenfalls willkommen, auch wenn Stuttgart und Kamen für sie als Hauptstützpunkte gelten.

In der neuen Zweifelder-Tennishalle, einem weiteren Schmuckstück mit ihrem besonders dämpfenden Rebound-Ace-Belag und hellstem Licht, trainieren die Talente längst. Die Halle ist auch für kleinere internationale Turniere geeignet. Das passt schon mal ganz gut zum Anforderungsprofil für die Jugend.

© SZ vom 07.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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