Temporäre Location: Nachtmuseum:Party unter Fremden

Was zum Teufel machen wir hier? Das Projekt Nachtmuseum veranstaltet Partys und Konzerte an ungewöhnlicher Stelle.

Michael Moorstedt

Auch Menschenmassen besitzen die Fähigkeit, sich in Luft aufzulösen. In München kann man diesem Schauspiel jeden Abend beiwohnen. Schließen in der Fußgängerzone die Geschäfte, leert sie sich in kürzester Zeit. Rund um den Marienplatz gibt es keine gute Adresse für Nachtschwärmer, wenig bleibt ihnen bis auf einige furchtbare Cocktailbars und das Atomic Café.

Temporäre Location: Nachtmuseum: Zwei Ausstellungsräume im Münchner Stadtmuuseum werden noch bis Ende Februar von den Kongress-Machern bespielt.

Zwei Ausstellungsräume im Münchner Stadtmuuseum werden noch bis Ende Februar von den Kongress-Machern bespielt.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Da verwundert es doch, dass sich in letzter Zeit immer wieder Grüppchen offensichtlich ausgehwilliger junger Menschen am St.Jakobs-Platz einfinden und zunächst einmal ziemlich ratlos dreinblicken: Was zum Teufel machen wir hier? Durch den Innenhof des Stadtmuseums geht der Besucher auf eine spärlich beleuchtete Tür zu. Dort wird angeblich wieder einmal das Münchner Nachtleben neu erfunden.

Seit einigen Jahren prägen Wanderbewegungen die Clubszene der Stadt. Für den Moment sucht man Zuflucht inmitten des kulturellen Establishments. Neu ist das nicht nur deshalb, weil das Refugium diesmal kein marodes Kaufhaus und auch keine ausgediente Messehalle ist. Neu ist das auch, weil das Projekt Nachtmuseum von den offiziellen Stellen nicht nur geduldet, sondern durch die Bereitstellung der Räume gefördert wird. Allerdings ist es so, dass die Stadt die wiederbelebte Clubszene, wie es anfangs seitens des Museums hieß, als "Ausstellungsgegenstand" instrumentalisiert. Im Sinne dieser Szene-Kuratierung wird jeder Mittwoch unter dem Motto "Monaco Pop" lokalen Bands gewidmet.

Zwei Ausstellungsräume im Museum werden noch bis Ende Februar von den Kongress-Machern bespielt. Knapp 400Besucher passen in die Räumlichkeiten. So gut wie jeden Tag ist Programm. Keine halben Sachen und wenig Anlaufschwierigkeiten zeichnen das Nachtmuseum bisher aus. Immerhin sind die Kongressverantwortlichen schon lange keine obskuren Nachtclubmacher mehr. Im Westend haben sie mit Kongressgarten und -bar sowie dem Wirtshaus "Zur Schwalbe" handfeste Unternehmen auf die Beine gestellt. Selbst die Registratur war - auch wenn man erfolgreich den Besuchern ein anderes Bild vermittelt hat - vor allem ein Geschäft.

Von außen betrachtet, sieht der Teil des Gebäudes, der nun das Nachtmuseum beherbergt, wie eine Behörde aus. Keine Spur von verhaut-urbanem Charme, den das nun endgültig tote Kaufhaus in Giesing oder die alte Registratur so wunderbar vermittelt hatten. Und auch von der makellosen Oberflächenästhetik eines Harry Klein oder einer Blumenbar ist nichts zu sehen. Innerhalb kurzer Zeit haben es die Macher allerdings geschafft, lokale und globale DJ-Prominenz an den Oberanger zu locken.

James Holden war hier, Hercules & Love Affair haben sich angekündigt. Die Münchner Subkultur- und Clubszene, die seit dem Puerto Giesing enorm an Selbstbewusstsein getankt hat, nimmt das Angebot dankbar an. All die Mover und Shaker der Stadt finden sich ein. Der Club Zwei veranstaltet hier seine Konzerte, Labels wie Ilian Tape oder Compost schicken ihre Künstler vorbei, Michaela Melián spricht über ihre interaktive Memory-Loops-Installation, Thomas Meinecke und Hans Nieswandt, DJs und Autoren in Personalunion, zelebrieren den verschriftlichten Pop.

Schnell wird klar, dass das Nachtmuseum nicht nur Club sein will. Das Stadtmuseum spricht von "einer Art Night-Life-Installation" und meint Galerie, Konzerthalle und Museum in einem. Ein Kulturzentrum mit Coolness-Anspruch. Deshalb gibt es hier nicht nur Konzerte und DJ-Gigs, sondern auch Lesungen, Kunstausstellungen und Kurzfilmabende. Eben all das, was das subkulturell geprägte, mittlerweile aber älter gewordene Großstadtpublikum auf seinem Kulturkalender sucht.

Das funktioniert mal recht, mal eher schlecht. Da wäre zum einen der "Salon der Vielfältigkeit" von BettyMü - ein Trash-Panoptikum, knapp 30 einzelne Videobilder, die gleichzeitig in barocke Rahmen projiziert werden, vom B-Movie bis zum Heimatfilm ist alles vorhanden, ein Mosaik, das mediale Überforderung feiert. Zum anderen irritiert die enervierende Raum-Installation von Art-Director Mirko Borsche "The Light at the end of the tunnel" samt Stroboskop und Diskokugel.

Im Innenhof des Stadtmuseums ist es ruhig. Ein Angestellter steht von seinem Überwachungsmonitor auf, tritt vor die Tür und blickt resigniert auf die Bierflaschen, die ihm die fremde Klientel hinterlassen hat. Der Besucher merkt: Das Hausrecht besitzen andere. So ganz ohne Misstrauen und Berührungsängste funktioniert diese Begegnung zwischen Hoch- und Sub-, E- und U-Kultur wohl doch nicht. Das Nachtmuseum ist ein Experiment. Die Party findet unter Vorbehalt statt.

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