Hypo Real Estate:Fahrlässiges Handeln

Skandalfall Hypo Real Estate: Der Bund wusste früh von den Risiken - und tat nichts dagegen. Die Finanzaufsicht hat versagt.

Alexander Hagelüken

Wann lohnt es politisch, ein Problem mit viel Elan anzugehen? Angesichts der vielen Schwierigkeiten moderner Gesellschaften müssen Politiker dies vom Preis abhängig machen. Es lohnt, politisch zu handeln, wenn der Schaden des Nichtstuns hoch ist. Was die Finanzaufsicht in Deutschland angeht, ist der Preis für die Bundesregierung ziemlich einfach zu erkennen: Sie muss alleine für den klinisch toten Immobilienfinanzierer Hypo Real Estate (HRE) 100 Milliarden Euro Steuergeld bereitstellen.

Hypo Real Estate, ddp

Die Schulden der Hypo Real Estate wachsen in den Himmel. Der Bund wusste früh davon - und tat nichts dagegen.

(Foto: Foto: ddp)

Andere Banken kosten auch Milliarden. Das ist ein riesiger Schaden, der zumindest teilweise entstanden ist, weil die Finanzaufsicht in Deutschland versagt hat. Die Bundesregierung hat deshalb die Pflicht, das Problem mit viel Elan anzugehen - und eine bessere Aufsicht zu schaffen.

Schon lange war bekannt, dass die Aufsichtsbehörden Bundesbank und Bafin die HRE gründlich durchleuchtet hatten, schon Monate bevor die Münchner Firma im Herbst 2008 ins Koma fiel. Erst jetzt aber werden die Einzelheiten bekannt, die die Prüfer im Frühjahr und Sommer wussten. Und das wirft bohrende Fragen nicht nur nach dem Treiben der Bank auf - sondern auch nach dem Treiben der Prüfer.

So notierten die Behörden damals zahlreiche Verstöße gegen die Art, mit der eine Bank ordnungsgemäß zu betreiben ist. Sie erkannten, dass die Firma keinen wirklichen Überblick über die Risiken hatte, die sich da überall auftürmten. Und sie bemerkten, wie schnell die Bank zahlungsunfähig werden konnte - binnen Tagen.

Und was taten die Prüfer? Sie forderten, zahlreiche Mängel bis Ende September abzustellen. Ende September allerdings wäre die HRE schon pleite gewesen, wenn der Staat keine Milliarden in sie gepumpt hätte.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, welche Ausreden Politiker und Aufseher bemühen - und warum der Fall HRE grundsätzlich dazu zwingt, die Finanzaufsicht unter die Lupe zu nehmen.

Veränderung nötig

Die große Ausrede von Bankern, Politikern und Aufsehern ist stets, es habe ja niemand den Kollaps der US-Bank Lehman Brothers voraussehen können, der die Finanzkrise global eskalieren ließ. Ohne Lehman keine Schieflage der HRE, heißt es. Doch was ist das für eine Aufsicht, die mögliche Pleiten in ihrer Arbeit nicht einkalkuliert? Man fragt sich besorgt, ob die Aufseher aus dem Desaster gelernt haben - oder ob sie das nächste Mal auch so wenig aus ihren Erkenntnissen machen würden.

Der Fall Hypo Real Estate zwingt dazu, die Finanzaufsicht grundsätzlich unter die Lupe zu nehmen. Das fängt bei der seltsamen Doppelstruktur aus Bundesbank und Bafin an, die wie andere Doppelstrukturen fehleranfällig ist. Das geht bei der Ausbildung und Bezahlung der Mitarbeiter weiter, die das hochkomplexe Gebaren moderner Geldhäuser überwachen müssen. Und das setzt sich bei den Zugriffsmöglichkeiten fort, die die Aufseher haben, wenn sie denn Mängel entdecken. Ja, da ist auch die Bundesregierung gefordert.

Es wäre allerdings zu billig, das Versagen im Fall HRE nur auf äußere Umstände zu schieben. Das Geschäftsmodell der Banktochter Depfa war äußerst krisenanfällig. Geld kurzfristig zu besorgen, um es langfristig zu verleihen, das funktioniert nur in sonnigen Zeiten. Mit dem Ausbruch der Finanzkrise im Sommer 2007 waren die sonnigen Zeiten vorbei. Das Überleben der Depfa war ab diesem Moment gefährdet, wie zahlreiche Fachleute innerhalb und außerhalb der Bank bestätigen. Angesichts dieser Schieflage hätte die Aufsicht schneller Konsequenzen ziehen müssen.

Wegen der größten Finanzkrise seit 1929 muss die Aufsicht weltweit verändert werden. Künftig darf es keinen wichtigen Akteur mehr geben, der ohne Überwachung davonkommt. Um grenzüberschreitende Konzerne zu kontrollieren, müssen Behörden über die Grenzen hinweg zusammenarbeiten, statt sich zu misstrauen. Und dann gibt es all die Fragen auf nationaler Ebene.

Das alles schienen die Regierungen zwischendurch mit Elan anzupacken. Im Moment ist es verdächtig ruhig um das komplizierte Thema geworden. Es ist eine Ruhe, die die Bürger noch teuer zu stehen kommen könnte. Die neuen Erkenntnisse im Fall HRE zeigen eines ganz klar: Bei der Aufsicht zu schlampen, kann schnell Milliarden kosten.

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