Nicht erschrecken, heißt es künftig für Passanten im Stachus-Untergeschoss, sollte ihnen dort ein Greifvogel entgegenflattern. Bei diesem handelt sich um das Wüstenbussard-Weibchen Hillary. Das Tier hat sich nicht etwa verflogen, es ist auch nicht als Werbegag gedacht, nein, es soll die Tauben vertreiben, die sich unter dem Karlsplatz breitgemacht haben.
Der Falkner Günter Rau hat sich mit seinen Tieren auf Taubenvergrämung spezialisiert - und er ist nicht das erste Mal in München im Einsatz. Aus den Einkaufspassagen der Hofstatt habe Hillary die ungebetenen Gäste bereits vertrieben, berichtet Inge Vogt, die Centermanagerin der Stachus-Passagen, deshalb setze man jetzt auch im Stachus-Untergeschoss auf den Einsatz des natürlichen Feindes.
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Die Sommer-Besucher haben die Wildvögel am Schloss Neuschwanstein derart überfüttert, dass die Tiere jetzt hungern.
Tauben sind ein Hygienerisiko
Tauben gehören in der ganzen Münchner Innenstadt zum Straßenbild. Die Stadt kennt die Problematik und versucht, ihr mit einem Fütterungsverbot sowie eigenen Taubenhäusern zu begegnen. Die Tiere stammen von der Felsentaube ab, die zum Nisten Nischen und Simse braucht. Deshalb sind die Straßentauben Gebäudebrüter und fühlen sich in Großstädten mit vielen hohen Gebäuden zu Hause. Längst aber haben sie entdeckt, dass es am Stachus unter der Erde für sie noch kommoder ist: warm, trocken, geschützt, und dazu lässt sich dort auch noch leicht Nahrung finden. Denn beim Essen im Gehen fällt von so mancher Pizza, Leberkässemmel oder Butterbreze doch etwas zu Boden.
Manche lassen die Vögel, die da zwischen den Beinen der Besucher herumpicken, ungerührt. Viele der etwa 300 000 Passanten, die täglich in dem unterirdischen Shoppingcenter, das zugleich Zugang zu U-Bahn und S-Bahn ist, unterwegs sind, empfinden sie aber offenbar als Zumutung. Tauben, die nach Essensresten suchen, in den niedrigen Gängen in Kopfhöhe durch die Menschenmenge fliegen und überall ihren Kot hinterlassen, seien nicht nur ein Ärgernis, sondern auch ein Hygienerisiko, heißt es in einer Mitteilung des Centers. Zum Schutz der Besucher und deren Gesundheit habe man sich deshalb zu dieser Methode entschlossen. Vorher habe man schon alles möglich versucht, um die Tauben zu vergrämen. "Wir hatte sämtliche Taubenspezialisten aus ganz Deutschland hier", versichert Center-Managerin Vogt. Plakatierte Fütterungsverbote, Falkenschreie aus dem Lautsprecher, Ultraschall, Gel auf bevorzugten Nistplätzen - nichts habe geholfen, "es wurden immer mehr". Einfach zusperren gehe nicht, die Stachus-Passagen haben 19 Zu- und Abgänge und sind 24 Stunden geöffnet.
Am Montagmorgen um sechs Uhr war Premiere
Nun setzt man auf dem Falkner Günther Rau aus Harthausen bei Günzburg und sein Wüstenbussard-Weibchen Hillary, ein imposantes Tier mit rötlich-braunem Gefieder, einem großen gelben Hakenschnabel und gelben Fängen. Rau züchtet diese Greifvögel, die zu den Habichtartigen gehören und in Amerika zu Hause sind, selbst, um sie speziell für den Anti-Taubeneinsatz zu trainieren.
Am Montagmorgen um sechs Uhr war Premiere: Hillary startete zu ihrem ersten Erkundungsflug durch die Stachus-Passagen. Deren Größe und die vielen Gänge und Winkel lassen den Einsatz mehrerer Greifvögel gleichzeitig nicht zu, wie Rau sagt. Erfolge zeigten sich erst nach zwei Monaten. 40 Einsätze sind in diesen 60 Tagen geplant, nie zur gleichen Tageszeit, um so die Tauben ständig in Unruhe zu halten. Dann, so versichert der Falkner, kämen diese nur noch vereinzelt. Meist seien es ortsfremde Vögel, die auf der Suche nach freien Revieren seien. Aber um diese zu verjagen, genüge es, den Greif ein- bis zweimal pro Woche einzusetzen. Rau führt als Beweis die Hofstatt-Passagen an. "Da fliegen wir immer noch, aber da gibt es keine Tauben mehr."