Tattoos:Wenn die Bekenntnis zur Organspende unter die Haut geht

Tattoos: Zwei Halbkreise und ein Kreis sollen zeigen, dass der Träger des Tattoos Organe spenden würde.

Zwei Halbkreise und ein Kreis sollen zeigen, dass der Träger des Tattoos Organe spenden würde.

(Foto: SZ)

In elf Münchner Studios kann man sich kostenlos ein Tattoo stechen lassen, das die Bereitschaft seiner Träger zur Organspende signalisieren soll. Offiziell gilt es jedoch nicht.

Von Felix Hartmann

Die Nadel ist gezückt, Tinte wird in kleine Töpfchen getropft und die Maschine beginnt monoton zu summen. So bereitet Andrei Catalin im Tattoostudio White Gate im Glockenbachviertel die folgende Körperverletzung vor. Denn streng genommen erfüllt Tätowieren den Straftatbestand aus dem Paragraph 223 Strafgesetzbuch. Die Körperverletzung, die jetzt folgt, soll jedoch Leben retten.

In Deutschland warteten 2022 etwa 8500 Menschen dringend auf ein Spenderorgan, aber nur 869 Personen spendeten Organe. Im Vorjahr waren 826 Namen von der Warteliste verschwunden, für sie war es zu spät. Der Grund: fehlende Spenderorgane. 84 Prozent der Deutschen sind bereit, nach ihrem Tod Organe zu spenden, doch nur 0,001 Prozent werden tatsächlich zu Spendern.

Wer die Kausalkette weiterverfolgt, findet einen klaren Grund für den Missstand, nämlich die sogenannte Opt-in-Regelung, oder auch Entscheidungslösung. In Deutschland wird man demnach nur dann automatisch zum Spender, wenn man vor seinem Tod eine eindeutige schriftliche Erklärung abgegeben hat. Das funktioniert nur, wenn man einen ausgefüllten Organspendeausweis bei sich trägt oder per Patientenverfügung - was selten vorkommt.

Die Münchner Initiative "Junge Helden" rund um Geschäftsführerin Angela Ipach will das Problem mit einem Tattoodesign namens "Opt.ink" (in Anlehnung an die Opt-in-Regelung) bekämpfen, das die Zustimmung zu einer Organspende symbolisieren soll. Der Vorteil: Die eigene Haut hat man im Gegensatz zum Spenderausweis immer dabei.

Auch Wilson Ochsenknecht trägt das Tattoo

Andrei Catalin führt die Nadel routiniert über die Haut, die jetzt das Motiv zeigt: einen Kreis und zwei Halbkreise. Ein Symbol dafür, wie aus zwei unvollständigen Teilen ein Ganzes werden kann. Catalin hat dieses Tattoo bereits etwa 200 Mal gestochen. Weil es kostenlos ist und der Andrang groß ist, müssen die an der Aktion teilnehmenden Münchner Tattoostudios die Termine beschränken. Die Aktion bekommt viel Aufmerksamkeit, auch in den sozialen Medien. Prominente wie Joko Winterscheidt, Klaas Heufer-Umlauf oder Jürgen Vogel helfen bei der Verbreitung. Wilson Ochsenknecht trägt das Tattoo sogar selbst auf dem Unterarm.

Tattoos: Das Tattoo ist kostenlos.

Das Tattoo ist kostenlos.

(Foto: SZ)

Die Gesundheitsministerien und die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) aber sind eindeutig: Das Tattoo gilt nicht offiziell. Ein Tattoo sei keine rechtlich verbindliche Willenserklärung. Bei einer Änderung der Zustimmung sei der Aufwand für die Veränderung der Tätowierung zudem groß. Auch dass die Zustimmung nicht vom Träger selbst gezeichnet wurde, sondern von einem Dritten, wird als Grund aufgeführt.

Überprüfen könnte man die Bereitschaft zur Organspende in einem Zentralregister, in dem alle Bürgerinnen und Bürger ihre Einstellung zur Organspende ohne großen Aufwand vermerken können. Eine Maßnahme aus dem 2021 überarbeiteten Transplantationsgesetz. Das Register sollte schon seit März des vergangenen Jahres aktiv sein, doch inzwischen wurde der Starttermin auf 2024 verschoben.

Für viele von Catalins Kunden war das Organspende-Tattoo sogar das erste überhaupt. Seine eigene Haut hingegen sieht für einen Tätowierer ungewöhnlich unverziert aus, auch das "Opt.ink" hat er nicht. Doch er bringt das Thema Organspende mit seiner Arbeit ins Gespräch. Elf Münchner Studios engagieren sich bei der Initiative.

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