Orchester im "Tatort":Melodien für Millionen

Daniel Grossmann, Dirigent des Jewish Chamber Orchestras Munich, spielt im Tatort.

Musste für den "Tatort" seine Chefposition räumen: Daniel Grossmann, Dirigent des Jewish Chamber Orchestra Munich, spielt einen Percussionisten.

(Foto: SRF/Hugofilm)

Das Jewish Chamber Orchestra Munich freut sich über seinen Auftritt im jüngsten Schweizer "Tatort". Wie die Musiker die Aufnahmen erlebt haben.

Von Rita Argauer

Klassische Musik und Society-Glamour passen bisweilen ganz gut zusammen. Besonders dann, wenn die Konzerte auch noch einem guten Zweck dienen. Abendgarderobe, Geld und Glitzer, in diesem Milieu spielt auch "Die Musik stirbt zuletzt", der jüngste Schweizer Tatort , mit dem die neue Tatort-Saison eröffnet wurde. Im Kultur- und Kongresszentrum Luzern veranstaltet ein gut betuchter Unternehmer ein Benefizkonzert, während eine Musikerin droht, dunkle Geheimnisse der Unternehmerfamilie zu enthüllen und der Klarinettist des Orchesters einem Giftanschlag zum Opfer fällt.

So weit so klassisch ist dieser Plot. "Ich habe bis jetzt noch nie einen Tatort gesehen", sagt Daniel Grossmann, der Chefdirigent des Jewish Chamber Orchestras Munich (ehemals Orchester Jakobsplatz). Auch diese Aussage überrascht erst einmal nicht, ist jedoch nicht unerheblich, weil eben jenes Orchester das Orchester im Film mimt. Dort tritt es als Jewish Chamber Orchestra aus Argentinien auf. Sonst bleibt aber beinahe alles so, wie man es von dem Münchner Klangkörper gewohnt ist: Sie spielen Stücke relativ unbekannter jüdischer Komponisten und bringen diese einem breiten Publikum näher.

"Die Plattform ist natürlich unglaublich", sagt Grossmann - allein die Zuschauerzahl, die sich bei Konzerten des Orchesters im Normalfall zwischen 400 und gut 1000 bewegt, liegt beim Tatort dann doch immer ein wenig höher. Die Schweizer haben zwar im Schnitt die wenigsten Zuschauer aller Ausgaben, die Zahlen gehen trotzdem immer noch in die Millionen. Ein irre großer Verbreitungskanal für das Orchester und auch für die Musik: Mit Viktor Ullmann, Erwin Schulhoff, Marcel Tyberg und Gideon Klein stehen Komponisten auf dem Programm, die dem Orchester vertraut sind, im herkömmlichen Klassik-Konzertleben aber eine eher untergeordnete Rolle spielen.

"Die Komponisten und deren Stücke sind integraler Bestandteil des Films", sagt Grossmann, ausgewählt habe die Regisseur Dani Levy, in enger Absprache mit Grossmann, der das letzte Stück, eine Partita für Streichorchester von Gideon Klein, auch vorgeschlagen hatte.

Der Film hat keine Schnitte - für die Musiker ist das nicht ganz unvertraut

Nicht nur der Soundtrack, der quasi live von einem Profiorchester geliefert wird, auch die Form ist diesmal eine andere: Der Regisseur Levy erzählte die Geschichte als One Shot, also in einer einzigen Kamerafahrt wie ein Theaterstück. Es gibt keine Schnitte und keine Unterbrechungen, der Film wurde vier Mal in Folge ganz durchgespielt und gefilmt, zwei Mal auf Hochdeutsch und zwei Mal auf Schweizerdeutsch. Für Grossmann und seine Musiker sei das ein bisschen wie bei der Aufnahme einer Live-CD gewesen - relativ vertraut also. Die größere Anstrengung liegt bei solchen Experimenten bei den Schauspielern und der Filmcrew.

One Shots sind schon seit Orson Welles' langen Plansequenzen ein wenig die artistischen und kunstfertigen Spielereien der Filmkunst. Bei den Dreharbeiten zu diesem Tatort seien aber schon die ersten beiden Durchläufe in Ordnung gewesen, erzählt Grossmann, was die Situation für die weiteren beiden Durchläufe entspannt habe. Gedreht wurde vor etwas mehr als einem Jahr, vergangene Woche feierte das Orchester mit einer Preview seine interne Premiere.

"Für einige Musiker aus dem Orchester, die regelmäßig Tatort schauen, war das sehr toll", sagt Grossmann. Und auch für ihn selbst sei das "schon ein Erlebnis gewesen", sich da auf der Leinwand zu sehen. Grossmann hat auch als einziges Orchestermitglied eine kleine Sprechrolle. Dafür musste er jedoch seine Chefposition räumen. Da die Rolle des Dirigenten mit dem Schauspieler Gottfried Breitfuss besetzt ist, bekam Grossmann eine Nebenrolle als Perkussionist.

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