Konzert von Tate McRae in MünchenWenn Selbstbewusstsein zur Show wird

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Ein Wirbelwind auf der Bühne: Tate McRae, hier bei einem Konzert vergangenen Dezember in Washington. Bei der „Miss Possessive Tour“ in der Münchner Olympiahalle waren keine Fotografen zugelassen.
Ein Wirbelwind auf der Bühne: Tate McRae, hier bei einem Konzert vergangenen Dezember in Washington. Bei der „Miss Possessive Tour“ in der Münchner Olympiahalle waren keine Fotografen zugelassen. (Foto: Lisa Walker/Imago/imageSPACE)

Tate McRae, kanadische Klick-Milliardärin mit deutscher Mutter, gibt in der ausverkauften Olympiahalle Einblicke in die Leiden und Lüste junger Frauen.

Kritik von Michael Zirnstein

Anschnallen, jetzt geht es los, denkt man vor der ersten Zugabe, die schneller kommt, als die Zuschauerinnen sie klatschend einfordern können. Jedenfalls erscheint Tate McRaes Gesicht nun nah am Bildschirm, eine Glasscheibe trennt sie von ihrem aufgekratzten Publikum, und über die gießt sie nun Motoröl aus einem Kanister. Wer ihre sexy Videos zu kennen glaubt, erwartet eine gut geschmierte Frauen-Wrestling-Einlage oder andere Schlüpfrigkeiten – aber es bleibt alles sauber. Kunstvoll windet sie sich in dem Videoeinspieler in einer Box, was jede Eingeweihte als einen Verweis auf ihren Clip zum Hit „Sports Car“ versteht, der nun also folgen soll.

„Sports Car“ ist das, wofür Tate McRae, kanadische Teenie-Heldin mit deutscher Mutter, gerade steht: In einer Peepshow-Box durchlebt sie singend und tanzend Metamorphosen eines Showgirls in zwölf Outfits inklusive eines Roberto-Cavalli-Leo-Print-Bodys, einmal steht ein Pferd im Raum, einmal ein Rennwagen. Schnell, anturnend, übermotorisiert. Weltweit eine Top-Ten-Single, ein aufregendes Stück Hochglanz-Pop, nicht nur wegen des Wet-T-Shirt-Badewannen-Tanzes im Video (Regie: Bardia Zeinali von Vogue), sondern wegen der zackigen Beats, der heiser geflüsterten Trap-Verse, die die Musikerin als eine Hommage an das Hip-Hop-Duo Yin Yang Twins versteht, Pop-Kenner wiederum als einen Rückgriff auf Britney Spears’ „I’m A Slave 4 U“ von 2001.

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Tate McRae ist aber: heute. Alles, was die 21-jährige Klick-Milliardärin gerade anpackt, zündet unmittelbar, macht an, will mehr. „Hey, cute jeans“, raunzt sie einen Boy da an, er möge ihr ihre ausziehen, er habe ja keine Misses, aber immerhin einen Sportwagen  – „we can uh-uh in it“.

Es ist viel „uh-uh“ an diesem Abend auf ihrer „Miss Possessive“-Welttour zum dritten Album „So Close To What“ in der ausverkauften Münchner Olympiahalle. Viel Haut, viel Strumpf, viel Spagat, viel Bauchfrei – aber nie billig, immer jugendfrei, zumal die Tiktok-Jugend die Freiheit einer Luxus-Peepshow-Ästhetik feiert. Aber McRae macht mit ihren acht Tänzerinnen und Tänzern noch mehr daraus: eine queere Feier der Bewegungslust, in der Jungen in High Heels auch mal Jungen antatschen, in der sie aber immer unantastbare Bossin bleibt. Ein Achter mit Steuerfrau, sozusagen.

Tate McRae zeigt, wer die Bossin unter den Tänzerinnen und Tänzern ist (eine Aufnahme aus dem Konzert im Dezember 2024 in Washington).
Tate McRae zeigt, wer die Bossin unter den Tänzerinnen und Tänzern ist (eine Aufnahme aus dem Konzert im Dezember 2024 in Washington). (Foto: Lisa Walker/Imago/imageSPACE)

Das Leistungsturnen mit Rückbeuge bis zum Boden oder gestrecktem Salto überlässt die ausgebildete Ballerina, die schon mit zwölf zum Tanzstar Nordamerikas wurde, ihrer Crew. Sie fügt sich gern und gut ins Ensemble, stiefelt unter zwei Lastkränen und auf ebenso scheinbar tanzenden Bühnenpodesten herrlich herrisch über alles hinweg, will sich aber lieber als Musikerin zeigen.

Dazu braucht es heutzutage nur zwei Band-Instrumentalisten (die tollen, aber ungenannten Zach Fenske an der Gitarre und Jarvis Jeb am Multi-Schlagzeug). Die Selbstbehauptung als Sängerin gelingt in epischen Herzschmerz-Songs wie „Siren Sounds“ oder „Greenlights“ brillant und immer besser, je persönlicher diese Songs über die Leiden und Lüste einer Heranwachsenden sind. Gerade im Soloteil recht angezogen am E-Piano auf der empor gefahrenen Rundbühne, da durchlebt man mit ihr noch mal im Zeitraffer ihren Youtube-Werdegang vom ersten Song mit 13 („One Day“) über den ersten Break-up-Song („Feel like shit“) bis zum ersten Internet-Welthit mit 17 („You Broke Me First“).

Eine Kamera folgt ihr stets dicht zu den Fan-Mini-Mes  (in Leo-Print, Eishockey-Dress, Stulpenstiefeln), auf Emporen ins Rampenlicht oder ins Labyrinth darunter, was an den Unterbau von College-Sporttribünen erinnert – wo sich in Coming-of-Age-Filmen oft die Abgründe auftun. Mit 21 scheint die ehrgeizige Tate McRae aber gefestigt. Als eine Art berühmte große Schwester kümmert sie sich um die „Taties“, verweist auf Frauenrechte und Seelsorge-Initiativen. Sie bedient keine Männerfantasien (es sind eh kaum welche da), sondern spiegelt den Wunsch junger Frauen, gesehen zu werden. Wie in „Purple Lace Bra“, also „Lila BH“, was sexy klingt, aber ein Grundproblem mit den Kerlen anspricht: „Cause my body positioning / Determines if you’re listenin’“.  Sie räkelt sich, um gesehen zu werden – damit man ihr zuhört. Jetzt müsste sie nur noch mehr zu sagen haben.

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