Tassilo:Pasings kleine Wigmore Hall

Walther Weck

Ein Raum voller Musik: In seinem Wohnzimmer setzt sich Walther Weck gerne ans Cello, das er seit seiner Jugend spielt. Als es noch möglich war, hat er Freunde und Bekannte auch gerne mal zu kleinen Hauskonzerten geladen.

(Foto: Catherina Hess)

Walther Weck hat eine Kammermusik-Reihe aufgebaut, die längst einen Ruf hat im Konzertleben der Stadt. Bedeutende Ensembles und Sänger schätzen die familiäre Atmosphäre und das begeisterungsfähige Publikum

Von Jutta Czeguhn

Bis ins ferne Florenz ist sein Ruf vorgedrungen. Die ältere, kunstsinnige Hamburgerin im Frühstücksraum der kleinen Pension um die Ecke der Basilica di Santa Croce lässt die Espresso-Tasse sinken, als man ihr erzählt, dass man aus Pasing kommt. "Ah, da kennen Sie sicher Herrn Weck mit seiner Musikreihe", sagt sie. Man kann ihr nicht widersprechen. Walther Weck und seine Kammermusik in Pasing haben sich ganz langsam und ohne viel Aufhebens - denn das wäre so gar nicht seine Art - ins Bewusstsein vieler Menschen gearbeitet. Eine Fan-Gemeinde ist da gewachsen, die ihm auch in den konzertlosen Monaten die Treue hält. Und wenn man genau hinschaut, oder besser hinhört: Musik ist eigentlich immer um ihn, auch in dieser schwierigen Zeit, wenn hin und wieder vielleicht der Klang eines Cellos oder Flügels aus den Fenstern seines schönen Pasinger Hauses dringt.

Nur ein geübtes Ohr wird bei Walther Weck noch Spurenelemente mittelfränkischer Dialekteigenheiten ausmachen können. Vor achtzig Jahren wurde er in Rothenburg ob der Tauber geboren. Sein Vater war Pfarrer in einem Dorf ganz in der Nähe. Als Weck sechs Jahre alt war, zog die Familie nach Gunzenhausen. 1952 dann ging es nach München, wo Vater Weck die Pfarrei St. Markus übernahm. Womöglich der beste Ort überhaupt für den musikbegeisterten Theologen, der eigentlich hatte Geiger werden wollen: Denn just zu dieser Zeit hatte dort auch der heute legendäre Karl Richter seinen Dienst als Kantor und Organist aufgenommen. "Mein Vater und wir vier Kinder haben dann alle im Bach-Chor gesungen", erinnert sich Walther Weck an diese prägenden Jahre. Er hat später Gesangsunterricht genommen und als Tenor in der berühmten Gächinger Kantorei Stuttgart gesungen. Und Cello-Unterricht natürlich, "der war aber ganz schlecht, daran knabbere ich immer noch".

Zehnjähriges Bestehen der Pasinger Kammermusik hätten Walther Weck und sein kleines Team 2020 richtig schön feiern wollen. Das Jahr hatte ganz traditionell begonnen, mit Schuberts "Winterreise": Am Dreikönigstag erfüllt der Bassbariton von Milan Siljanov, Ensemblemitglied der Bayerischen Staatsoper, den engen Saal der Volkshochschule an der Pasinger Bäckerstraße, am Steinway-Flügel sitzt Nino Chokhonelidze. Weil das Konzert wie immer hoffnungslos überbucht ist - aus Brandschutzgründen dürfen nur 60 Menschen zuhören - wird eben gleich zwei Mal an diesem Tag gespielt. Damit ist schon recht viel erzählt über das Phänomen Kammermusik Pasing: Die Eintrittspreise sind moderat, vor allem für Schüler und Studenten. Familiär, leger geht es zu, vorneweg eine knappe Begrüßung von Walther Weck, wer mag, trinkt Weißwein in den Pausen, nachher Blumen für die Künstlerin, manchmal, zu besonderen Anlässen, auch ein Glas von Walther Wecks selbst gerührter Marmelade für die Künstler. Und das Angebot ans Publikum, doch mit rüber in ein Lokal zu kommen, wo man mit den Musikern noch ein wenig zusammensitzt.

Große Stimmen haben schon im kleinen Saal des ehemaligen Pasinger Rathauses gesungen, Okka von der Damerau, ihre Kollegen Tareq Nazmi oder André Schuén. Das Diogenes und das Schumann-Quartett sind regelmäßig Gäste, und immer wieder Gerold Huber, der sonst zusammen mit Christian Gerhaher in der Carnegie oder Wigmore Hall auftritt. Sein großer Steinway hat mittlerweile in Walther Wecks Wohnzimmer vorübergehend Unterschlupf gefunden. Fragt man Weck am Telefon, wie er es schafft, diese Qualität nach Pasing zu bringen, dann macht er mal wieder keine große Sache daraus. Überhaupt muss man zwei Mal nachhaken, denn Weck ist von Wichtigem abgelenkt: "Entschuldigen Sie, da ist gerade ein Eichhörnchen im Garten, es sitzt im Vogelhäuschen". Seit 1977 lebt er in dem denkmalgeschützten Haus in der Pasinger Villenkolonie, bis zu ihrem Tod 2014 zusammen mit seiner Frau Gudrun Koppers-Weck. Beide haben als Lehrer gearbeitet, und beiden verdankt das Stadtviertel durch ihr Engagement im Kulturforum München-West viele Impulse.

Die Kammermusik-Reihe, die unter dem Dach des Kulturforums läuft, ist irgendwie ganz organisch entstanden. Denn Kammermusik wurde in Pasing schon immer gespielt, bei den Wecks im Wohnzimmer, wo der Hobby-Cellist mit Musikerfreunden regelmäßig übte, man nannte sich Pasinger Streichquartett. Aus dem Ensemble gingen später Los Pasingueros hervor, die ihr Repertoire für die gepflegte Salonmusik öffneten. Walther Weck organisiert schon damals die Auftritte, mal in Kirchen, auf Plätzen, mal in der Pasinger Fabrik. Dort veranstaltet er 2000 auch ein Geburtstagskonzert für den im vergangenen Dezember verstorbenen Pasinger Komponisten Anton Rupert. "Das ist sehr gut gelaufen, weshalb ich beschloss, den Pasingern nun jedes Jahr ein Konzert mit zeitgenössischer Musik zu bieten", sagt Weck.

Was aber lange fehlte, war ein fester Konzertsaal und ein "gescheiter Flügel". Der Saal fand sich später im Haus der Volkshochschule, früher Pasings Rathaus, das Piano dort war allerdings ziemlich "unbrauchbar". Weck fing an, Geld zu sammeln. Mit einem Benefizkonzert im Februar 2010 nahm die Konzertreihe "Kammermusik in Pasing" dann ihren Lauf. Ein alter Pleyel konnte angeschafft werden. Solide, aber noch nicht ideal. Viele Konzerte später ist Walther Weck noch einmal mit der Spendenbüchse herumgegangen, 2015 war genügend Geld beisammen für einen guten, gebrauchten Bösendorfer-Flügel.

Die Kammermusik-Reihe spielt mittlerweile längst nicht mehr nur in ihrem kleinen Stammhaus, sondern nutzt auch die Räume und Instrumente der Klavierwerkstatt "Kontrapunkt" in Obermenzing. Oder die wunderbare Akustik in den alten Pasinger Kirchen St. Wolfgang und St. Georg. In der evangelischen Himmelfahrtskirche hatte Walther Weck noch im Januar 2020 zu einem denkwürdigen Abend geladen. Der Kinderchor der Bayerischen Staatsoper unter Leitung des Chordirektors Stellario Fagone brachte dort eindrucksvoll die Kinderoper "Brundibar" von Hans Kràsa zu Gehör, die einst im KZ Theresienstadt uraufgeführt worden war.

150 Konzerte in zehn Jahren, Walter Weck und sein Team haben Pasing zu einem Ort gemacht, der Musikerinnen und Musiker anzieht. Ehrenamtlich, ohne öffentliche Zuschüsse. Man hegt und pflegt ein dichtes Netz an Freundschaften und Kontakten zu Profimusikern, versucht, sie angemessen zu entlohnen. Weck bietet auch immer wieder Preisträgerinnen und Preisträgern des ARD-Musikwettbewerbs seine Bühne. Er hat keine Scheu, sein Publikum auch an moderne Musik heranzuführen. Denn für ihn, den Pfarrerssohn, ist zwar "Bach das A und O, aber es gibt da noch viele Buchstaben dazwischen".

Die Frist, eine Kandidatin oder einen Kandidaten vorschlagen, ist abgelaufen. Das Stadtviertel-Team bedankt sich für alle Einsendungen.

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