Kritik:Entwurzelte Topfpflanze

Kritik: Was Tänzerin Jin Lee macht, ähnelt nichts, was man schon einmal gesehen hat.

Was Tänzerin Jin Lee macht, ähnelt nichts, was man schon einmal gesehen hat.

(Foto: Eli Calacuda)

Im Hoch X geht das dreiteilige Tanz-Solo "Huabun" des südkoreanischen Duos Zinada über die Bühne. Das ist verblüffend und kryptisch, und zwischendurch wird eine Tasse Tee zubereitet.

Von Sabine Leucht

40 Minuten vergehen im Nu, wenn man Jin Lee beim Tanzen zusieht. Die zierliche Koreanerin, die das Münchner Publikum unter anderem schon in Ceren Orans "Relationshifts" und "Schön Anders" begeisterte, besitzt so viel Grazie, Natürlichkeit und technische Finesse, dass Auge und Seele nicht satt davon werden. Etwa in der Mitte der dreiteiligen Solo-Performance, die Lee und ihr Tänzer-Kollege Jihun Choi selbst choreografiert haben, schmeißt sie auf der Bühne des Hoch X den Wasserkocher an und bereitet sich eine Tasse Tee.

Es ist der Teil, in dem die Kreatur, die sie verkörpert, vorübergehend zur Ruhe kommt und ganz gewöhnliche Dinge tut. Aufräumen, ein Buch zur Hand nehmen, in eine Hose schlüpfen. Danach und vor allem davor aber passiert in dem realistischen Wohnzimmer-Setting Kryptisches. "Huabun" - auf Deutsch: "Topfpflanze" - nennt das Duo Zinada seine vom Münchner Kulturreferat geförderte Debütproduktion, die im übertragenen Sinne von Entwurzelung und vom Umtopfen erzählt. Ein persönliches Thema für die in München lebenden Südkoreaner, die sich für ihr Stück auch ästhetisch von Pflanzen haben inspirieren lassen, die ihre Umgebung mit 20 Sinnen abtasten.

Zu Beginn hockt Jin Lee mit dem Rücken zum Zuschauerraum auf dem Boden, die Knie an den Schulterblättern, der nach vorn geneigte Kopf wirkt wie abgeschnitten. Ein Gebilde, das sich allmählich verschiebt und ruckelnd mutiert, seine verzerrte Anatomie findet in der Mimik ihre Fortsetzung. Dass hier etwas nur mühsam in die Gänge kommt, signalisiert auch Benny Omerzells geröllig anmutende Musik. Es könnte auch eine Puppe sein, die hier zum Leben erwacht und dem aufrechten Stand nicht traut. Was Lee da macht, ähnelt jedenfalls nichts, was man schon mal gesehen hätte; blitzschnell wechseln Hoch- und Entspannung ab.

Erst im letzten Drittel werden die Bewegungen weicher, bleiben aber rastlos und müssen sich immer wieder des Raumes und ihrer selbst versichern. Die migrierte "Pflanze" scheint in einer Umgebung angekommen, der sie noch nicht traut. Fast kommt man sich ein wenig sadistisch vor, dass man diese Tanz gewordene Unbehaustheit so sehr genießt.

Huabun, bis 1. April, 20 Uhr, Hoch X, Entenbachstraße 37

Zur SZ-Startseite

SZ PlusWeltmusik
:"Wir haben musikalisch von allem etwas"

Wie klingt kapverdische Musik? Der Perkussionist und Sänger Miroca Paris bringt sie nach München. Ein Gespräch über seine Jugend auf der afrikanischen Inselgruppe und seine Zeit mit Cesaria Evora.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: