Take That in München:Vier plus eins ist nicht fünf

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Gemeinsam sind sie Pop - doch nur einer rockt: Die legendäre Boygroup Take That gibt im Münchner Olympiastadion ihr - zumindest vorerst - letztes Konzert zu fünft. Verzweifelt sind die Fans deswegen nicht, aber traurig. Denn der Auftritt überzeugt zumindest dann, wenn Robbie Williams die Bühne für sich alleine hat.

Lisa Sonnabend

Es ist nur eine kleine Geste, doch sie bringt die bombastische Tournee der wiedervereinigten Band Take That auf den Punkt. Gary Barlow steht am linken Rand der Bühne des Münchner Olympiastadions und singt die letzten Takte eines ihrer größte Hits: "I guess now it's time, that you came back for good." Plötzlich nähert sich Robbie Williams, legt seinen Kopf schräg auf Garys Schultern - und grinst. Breit. Take That ist es tatsächlich gelungen, Robbie Williams, der die Band 1995 verließ, zurückzugewinnen. Doch das Grinsen des 37-Jährigen verrät: Da weiß jemand, welches Spiel er spielt.

Inzwischen der Star von Take That, daran ist nichts zu leugnen: Robbie Williams. (Archivbild vom Konzert in Wembley, 2011) (Foto: REUTERS)

Am Freitagabend haben Take That das letzte Konzert ihrer Europatournee gespielt. In zwei Monaten sind sie damit vor 1,6 Millionen Zuschauern aufgetreten. Allein acht Mal im Londoner Wembley-Stadion, acht Mal vor ausverkauften Reihen. In München sind immerhin 68.000 Fans dabei. Der Grund, warum die meisten gekommen sind, hat sechs Buchstaben: Robbie.

Doch auf den britischen Superstar müssen die Zuschauer zunächst warten. Das Programm sieht vor: Nach der Vorgruppe - keine geringere als die Poplegende Pet Shop Boys - treten erst einmal rund 30 Minuten lang Take That ohne Williams zu viert auf, dann darf 40 Minuten nur Robbie solo auf die Bühne, das ist vertraglich so zugesichert, und schließlich wird eine Stunde lang die Wiedervereinigung zelebriert. Also erst TT4, dann Robbiiiiiiieee, dann TT5, wie es im Fansprech kurz heißen würde.

Vor 16 Jahren - im Jahr 1995 - verließ Robbie Williams die Band. Seine Alkohol- und Drogeneskapaden passten nicht zum Traum von idealen Teenie-Idolen, den die Musikindustrie immer weiter perfektionieren wollte. Doch Robbie Williams verschwand nicht von der Bildfläche, sondern machte solo weiter - und seine Karriere verlief noch erfolgreicher als zu Boygroup-Zeiten.

Auch Take That gaben nicht auf. Nach der über zehnjährigen Pause, die auf Williams Abgang folgte, nahmen sie zu viert immerhin auch zwei respektable Alben auf und gingen drei Mal auf Tournee. Im Juli 2010 dann kehrte Robbie Williams zurück, zu fünft wurde die Platte "Progress" aufgenommen, die Europatournee begann.

Der Auftritt in München startet vielversprechend. Es ist kein gewöhnliches Konzert, das ist sofort klar. Zu aufgeladen ist die Stimmung im Stadion, als eine Uhr auf der Bühne den Countdown herunter zählt: Noch zwei Minuten, noch 45 Sekunden, drei, zwei, eins. Gary Barlow, Jason Orange, Marc Owen und Howard Donald treten hervor und verbeugen sich erst einmal tief. Das Kreischen der Fans ist ohrenbetäubend.

Die Hits sind nur Beiwerk

Dann geben die vier ein paar Lieder wieder, die sie in der Zeit ohen Robbie Williams geschrieben haben. Sie klatschen die Hände der Fans ab, treten in Tweed-Anzügen auf, dann verkleiden sie sich als Indianer. Jeder singt einmal, tanzt und darf das Publikum persönlich begrüßen. "Vielen Dank, dass ihr immer an uns geglaubt habt", sagt Howard. Es ist eine aufwendige, durchdachte Popshow, die durchaus Spaß macht - auch wenn sie musikalisch nicht überwältigt.

Nur einmal kommen Irritationen auf: Als Marc Owen das Publikum bittet, die deutsche Nationalhymne zu singen. Nach einem kurzen Zögern erfüllt das Publikum ihm auch diesen Wunsch. Dann noch ein Kostümwechsel und die vier sind verschwunden.

Und dann kommt Robbie. Das Gekreische wird sofort noch lauter, als der 37-Jähirge von der Bühnendecke hinunterschwebt. "Munich, do you feel me?", ruft er ins Mikrofon. Und wie! Es genügt eine Grimasse, ein Grinsen, eine Geste, und Robbie Williams zieht das gesamte Stadion in seinen Bann. Seine Hits "Let me entertain you", "Rock DJ" oder "Angel" benötigt es für die Robbie-Show eigentlich gar nicht, sie sind nur Beiwerk.

Dass der Sänger schließlich Lou Reeds Song "Walk on the Wild Side" aus den siebziger Jahren anstimmt, ist dann eigentlich eine Frechheit. Denn Robbie Williams verschandelt den Song musikalisch gesehen gewaltig, seine Stimme reicht bei weitem nicht an das Original heran. Doch dem 37-Jährigen gelingt es trotzdem, daraus eine einzigartige Performance zu machen. Wie? Er grinst, zieht Grimassen, gestikuliert - und dann zeigt er seinen blanken Hintern.

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Der Höhepunkt des Konzertes ist vorbei, als die vier anderen wieder auf der Bühne dazustoßen. Es folgen einige Lieder des neuen Albums, die Fans nutzen dies als Verschnaufspause. Denn bis auf "The Flood" ist kein Song dabei, der mitreißt. Und dann beginnt der merkwürdige Teil des Abends.

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Take That nehmen sich selbst auf die Schippe. Sie tanzen noch einmal die gleichen Schritte wie damals. Sie nehmen sich noch einmal alle zur Motivation in die Arme, wie sie es angeblich früher immer gemacht haben vor Konzerten. Und sie singen noch einmal die Lieder von einst. "Babe", das man offenbar für nicht mehr zeitgemäß hält, wird nur kurz angespielt - als schäme man sich inzwischen dafür. "Pray", "Back for Good" oder "Never Forget" werden in der Weite des Stadions fast verschluckt. Robbie Williams hat sich mittlerweile in der Gruppe eingeordnet und seine alte Rolle eingenommen.

Einmal bringen Frauen in Dirndl den Musikern Maßkrüge: Für die einen ist Rotwein drin, doch für Robbie Williams und Marc Owen gibt es nur Milch - sie haben schließlich schon Entziehungskuren hinter sich. Ein Witz, genauso durchchoreographiert wie in den Neunzigern die weltberühmten Tanzschritte.

Was wird nun nach der Reunion-Tour von Take That in Erinnerung bleiben? Werden die Fans so sehr trauern wie einst, wenn der Gig in München nun wirklich der allerletzte Auftritt zu fünft war? Die Konzerte der Tour waren klamaukig, kitschig, künstlich. Die Auftritte haben teilweise gewirkt, als hätte jemand ein Musical über die wichtigste Boygroup der Neunziger inszeniert - in dem es immerhin jeder Darsteller versteht, seine Rolle hervorragend zu spielen.

Während zur Tour von David Hasselhoff, auch so einem Star der vergangenen Jahrzehnte, vor wenigen Monaten vor allem Zuschauer kamen, um sich lustig zu machen, meinen die Take-That-Fans es allerdings immer noch ernst. Das Kreischen von Tausenden ist nicht gespielt, es ist ehrlich. Alle sind ergriffen. Nach 20 Jahren bringen Take That Teenager noch immer in Extase - und mittlerweile auch 30- bis 40-Jährige. Ob das an Robbie Williams oder allen zusammen liegt, ist in diesem Moment egal. Denn: "I guess now it's time, that you came back for good." Und das sind sie gewesen bei der Tour 2011.

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