Klassik:Im Bratschenhimmel

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Tabea Zimmermann ist Artist in Residence beim BRSO und verblüfft mit unkonventionellen Programmen.

Von Egbert Tholl

Wenn man Tabea Zimmermann engagiert, kriegt man Musik zu hören, die man kaum oder auch gar nicht kennt. Die Bratscherin ist gerade Artist in Residence beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, und sie ist ein Gewinn. Nicht nur, weil sie mit spannenden Zusammenstellungen das Repertoire erweitert, sondern auch, weil sie eine echte Musikantin ist. Musik machen will, mit anderen Leuten zusammen. Klingt selbstverständlich, ist es nicht immer. Denn dazu gehört Klugheit und eine große Fähigkeit zur Kommunikation.

Für diese, die Kommunikation, nimmt sie in der Isarphilharmonie erst einmal am ersten Bratschen-Pult Platz und leitet von dort aus die Streicherabteilungen des BRSO. Karl Amadeus Hartmanns vierte Symphonie für Streichorchester ist graues, raues Stück, ist auch rastlos expressiv - und todtraurig. Hartmann schrieb es 1938, revidierte es nach dem Krieg; es wirkt, als habe er die Katastrophe des Krieges vorausgeahnt und sie später resümiert. Aufregend.

Dann stellt sich Tabea Zimmerman ins Zentrum des Geschehens, spielt den Solopart von Benjamin Brittens "Lachrymae", Variationen auf ein Lied von John Dowland, eine spannende Entdeckungsunternehmung, die wirkt, als durchforsteten die Musikanten eine Bibliothek auf der Suche nach Dowlands Stück aus der Renaissance; sie entdecken dabei Entlegenes, lassen die Gedanken schweifen, feiern Überraschungsfunde und landen dann dort, wo sie hinwollten, bei der betörenden, mehr als 400 Jahre alten Melodie.

Das wirkt wie eine Aufhellung, denn danach wird es abermals düster, mit dem achten Streichquartett von Schostakowitsch in der von Rudolf Barschai erstellten Fassung für Streichorchester. Die sorgt für fantastisch gespielte Erschütterung, mit einem Zornesausbruch in der Mitte, einem Zorn aus Verzweiflung, rasend, umwerfend, verlöschend mit ungelösten Fragen. Stille danach. Dann Jubel.

Tags zuvor lebt Tabea Zimmermann ihren Schalk aus, im Technikum im Werksviertel, in Rufweite der Freifläche, wo dereinst das Konzerthaus entstanden sein sollte. Sie macht Kammermusik im intimen, gleichwohl gut besuchten Rahmen ("Watch This Space"), eine tolle Begegnung, auch mit Stücken, von denen man bestenfalls den "Garten der Freuden und Traurigkeiten" von Sofia Gubaidulina kennt, ein wundervolles Stück, wie ein zartes Gespräch zwischen Bratsche, Flöte (Henrik Wiese) und Harfe. Die spielt Magdalena Hoffmann, ihr Instrument leuchtet wie ein Tiefseefisch und kann in ihren Händen die tollsten Sachen machen. Hoffmann moderiert auch, ziemlich zauberhaft, zusammen mit Zimmermann sollte sie eine eigene Show bekommen. Und neben einem Trio in gleicher Besetzung von Arnold Bax und einem Violenquartett von York Bowen gibt es eines von Garth Knox. Quartette für vier Bratschen! Knox ist konsequent: Seines ist ein auskomponierter Bratschenwitz, den er in einer irischen Kneipe geschrieben haben könnte.

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