Süddeutsche Zeitung

Szene München:Wenn der Neu-Münchner mal wieder auf der Stadt rumhackt

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Ja, es gibt kaum Spätis und die Öffnungszeiten sind ein Witz. Man kennt das. Aber die einzig richtige Reaktion auf die Jammerei ist: keine.

Kolumne von Elisa Britzelmeier

Ein Abend an der Isar, neben der Reichenbachbrücke. Der Neu-Münchner hält lässig sein Augustiner und erzählt von seinen ersten Tagen in der Stadt. Wie schwierig alles war, wie borniert und provinziell München wirkte. "Dass es hier auch sowas gibt", sagt er und zeigt auf die Menschen ringsum, Grillrauch, Musik aus Boxen, Sommer in München eben, "habe ich vor ein paar Monaten nicht für möglich gehalten".

Man kennt das. Die Öffnungszeiten sind ein Witz, Kioske und Spätis gibt es nicht, und illegale Elektropartys werden hier auch nicht gefeiert, so geht die Klage der Neu-Münchner. Wer schon länger in München ist, fühlt sich genötigt, die Stadt in Schutz zu nehmen.

Genau wie bei Besuchen in anderen deutschen Städten: Da muss der Münchner immer geradestehen für sein In-München-Wohnen, während man andere einfach wohnen lässt. Nur im Ausland passiert das so gut wie nie, offenbar denkt man da: Munich, Octoberfest, Fetzengaudi, eh klar. In Berlin dagegen: "Also, als ich mal in München zu Besuch war, haben wir den Alkohol abends bestellt und liefern lassen, hat ja sonst nichts mehr auf dort. . ." Bestimmt sind das die Leute, die überall erzählen, wie teuer München ist.

Stimmt ja: München ist teuer, und die Öffnungszeiten sind ein Witz. Aber was bringt die ständige Leier? Und was soll dieser Gedanke überhaupt: Eine Großstadt hat nun einmal so und so zu sein? Ganz schön borniert und provinziell!

Der Neu-Münchner erzählt derweil, wie sie in Hamburg das Hafengelände abradelten, weil irgendwo eine illegale Elektroparty sein sollte. Das kennt der Münchner, der irgendwann mal vom Land hierherkam, auch - von damals, als man noch von Hinterstein nach Gunzesried aufs Stadelfest radelte. Ein Riesenspaß!

Man könnte dem Neu-Münchner jetzt von spannenden Zwischennutzungsprojekten erzählen, die es in München gibt, oder von nichtkommerziellen Open Airs am See. Aber am besten lässt man das, nimmt noch einen Schluck und schaut schweigend die Isar entlang. Sommer eben. München wird's ihm schon zeigen.

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Quelle:
SZ vom 18.08.2016
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