Das einzige, was noch nerviger ist als betrunkene Freunde, sind Freunde, die einen betrunken machen wollen. Als Selten-Trinkerin in der Hauptstadt des Biers hat man es nicht leicht. An jeder Ecke soll man Bier in Liter-Humpen in sich reinschütten, bald wird sogar wieder ein ganzes Fest ums Bier herum gefeiert. Und bitte, diese Stadt riecht ja sogar nach Bier! Das ist, mit Verlaub, ein nicht sehr subtiler Verführungsversuch. Wer Bier in München verweigert, beleidigt die Stadt geradezu - sagen zumindest die Freunde, die einem immer irgendein neues Gebräu unter die Nase halten.
Und wenn's kein Bier ist, dann ist es halt der Munich Mule oder der im Sommer so gern servierte Spritz, mit dem man zum Saufen animiert wird. "Danke, für mich nur Schorle" ist in München keine akzeptable Bestellung und wird sogar von Kellnern gern mal schnippisch mit "Soso, a Schorle" quittiert. Entsetztes Gesicht der Freundin neulich im Joon ob der Bestellung eines Chai Tea Latte. Ratloses "Warum trinkst'n du nix?" auf der Geburtstagsparty am vergangenen Wochenende, wo einfach nur der Schnaps eklig war.
Man muss mindestens einen Infekt vorweisen können, ganz hartnäckig, den man gerade mit Antibiotika therapiert, um sich halbwegs zeitnah aus der Affäre zu ziehen. Wer einfach keinen oder eben nur selten Appetit auf Alkohol hat, steht im Verdacht, freudlos zu sein. Oder schwanger. Oder beides.
Schwer zu erklären, warum das so ist. Es käme doch auch niemand auf die Idee, seinen Kumpel unbedingt zum Schnitzel überreden zu wollen, wenn der keins mag. Ist es den Freunden peinlich, allein betrunken zu sein? Haben sie Sorge, im Suff Dinge preis zu geben? Sind es einfach die falschen Freunde?
Dem Gelegenheitstrinker bleibt im Grunde nur eine Möglichkeit, sich endlose Debatten oder Baby-Spekulationen zu ersparen: Zum netten Barmann in der Loretta Bar schleichen, sich einen Gin Basil Smash ohne Gin bestellen und dann lauthals verkünden, man sei voll wie ein Glitzi-Schwamm. Es wird niemand bemerken.