Szene München:Schwere Prüfung zu später Stunde

Cafe Kosmos

Schließt zu früh, zumindest nach Empfinden unseres Autors: das Café Kosmos.

(Foto: Robert Haas)

Als Neu-Münchner ist man mit den Ausgehzeiten in der Stadt schnell überfordert. Was also tun, wenn einem der Kellner auf der Türschwelle die Taverne verriegelt - weil man sich in der Zeit verschätzt hat?

Von Korbinian Eisenberger

Manchmal ist die Einsicht zur Nachsicht ein holpriges Unterfangen. Ein grantiger Mensch tut sich damit zunächst meist schwer, dies beschäftigte seinerzeit bereits Karl Valentin. Und zwar mithilfe einer Figur, die ihrem einstigen Saufkumpanen nach einem Streit einen bösen Brief schreiben lässt. Valentin will seinem früheren Freund sogar das Du aufkündigen, schließlich sei dieser ein "hundsgemeiner Sauhund", wie er seiner Brieftipperin diktiert.

Wie es zu einem Streit wie diesem kommen kann, damit kann man beim Ausgehen auch 80 Jahre nach Valentins Stück nach ganz besondere Erfahrungen machen. Etwa, wenn einem der Kellner auf der Türschwelle die Taverne verriegelt. Gerade bei Neu-Münchnern liegt das häufig weniger daran, dass sie sich nicht in ihrer Trinkfestigkeit, sondern vielmehr in der Zeit verschätzt haben. So erging es einer Gruppe Zuzöglingen, denen die frühen Sperrzeiten der Münchner Bars bis dato nicht geläufig waren.

Um halb vier in die X-Cess-Bar

Leer war die Kiste Bier, als sich das durstige Quartett um zwei Uhr früh frohen Mutes außer Haus begab. "Letztes Lied", erklärte ein Barmann vorm Café Kosmos und ließ vier bedröppelte Gestalten zurück. Weiter in die Sonnenstraße - drei weitere Bars schlossen ihre Türen, man solle es woanders probieren, so der Hinweis. Den Burschen ging es jetzt wie dem Buchbinder Wanninger. Anders als Valentins schüchterner Handwerker machten die vier ihrem Ärger jedoch Luft. Wir hätten eher los müssen, schimpfte einer. Ein anderer will heim. Auflösungserscheinungen im Freundeskreis - so wie einst bei Valentin?

Tatsächlich kommt dessen Briefdiktat zu der späten Einsicht: "Die Wunde, die das so jäh zerrissene Freundschaftsband verursacht hat, blutet heute noch", heißt es. Am Ende erklärt er den Streit mit dem Saufbruder ganz nüchtern "für entwichen". Nüchternheit liegt den weit gelatschten Kneipen-Suchern dagegen fern. Um halb vier schleppen sie sich - immer noch zu viert - mit letzter Kraft vor die X-Cess-Bar. Und tatsächlich: Hier gibt's noch ein frisch gezapftes Bier.

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