Szene München:Neuzugang am Boaznfriedhof

Szene München: Fußball-WM 2014 in Brasilien Ein bißchen Fußball-schauen beim Spiel Deutschland - Ghana (2:2) in der Homo-Boazn *Drei Glöcklein* in der Hans-Sachs-Strasse in München Foto:Alessandra Schellnegger

Fußball-WM 2014 in Brasilien Ein bißchen Fußball-schauen beim Spiel Deutschland - Ghana (2:2) in der Homo-Boazn *Drei Glöcklein* in der Hans-Sachs-Strasse in München Foto:Alessandra Schellnegger

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Fraunhofer Schoppenstube, Fischerstüberl und jetzt macht auch das Heiliggeiststüberl am Viktualienmarkt zu: Der Kneipen-Führer "Munich Boazn" wird bald nur noch Historikern als Nachschlagewerk dienen.

Von Andreas Schubert

Stammgast zu sein kann mitunter auch anstrengend werden. Zum Beispiel, wenn man im Lokal automatisch immer dasselbe Getränk hingestellt bekommt, nur weil man es vor Jahren beim allerersten Abend dauernd getrunken hat. Man möchte die nette Person hinterm Tresen aber nicht brüskieren, indem man das schon eingeschenkte Rüscherl zurückgehen lässt, weil einem ein Helles eigentlich besser schmecken würde. Also bleibt man halt dabei, ist ja schön, wenn eine Bedienung so aufmerksam ist, dass sie sich an einen erinnert.

Außerdem gibt es viel Schlimmeres, mit dem sich Stammgäste herumzuschlagen haben. Zum Beispiel, wenn es die Kneipe, in der man sich mit den immer selben Freunden seit Jahr und Tag trifft, auf einmal nicht mehr gibt. Die Fraunhofer Schoppenstube war so ein Ort, die Burg Pilgersheim auch, das Fischerstüberl sowieso - und jetzt ist eine weitere gastronomische Institution auf dem Münchner Boaznfriedhof gelandet: das Heiliggeiststüberl am Viktualienmarkt.

Wenn der Kneipenführer zum Geschichtsbuch verkommt

40 Jahre war die kleine Kneipe mit der bunten Einrichtung ein Treffpunkt für ein ebenso buntes Münchner Publikum. Nun wollten die Eigentümer den Mietvertrag nicht mehr verlängern. Und wie schon die Gerti von der Schoppenstube werden die Stammgäste die Bobby vom Heiliggeiststüberl vermissen. Sie werden noch Jahre später von legendären Abenden sprechen, vom ersten Rüscherl-Rausch, damals in den Achtzigern, und sie werden es vermeiden, an ihrem ehemaligen Stammlokal vorbeizugehen.

Denn nach dem Tod einer Boazn zieht in der Regel irgendwas Schickes ein. Statt Gästen sind dann dort Kunden, die leise sind und nicht schmutzen, und Bedienungen, die schneller wechseln, als man seinen Rausch ausschlafen kann - und ohnehin gar nicht mehr wissen, was ein Rüscherl überhaupt ist. Irgendwann wird auch der Kneipen-Führer "Munich Boazn" nur noch Historikern als Nachschlagewerk dienen. Die Staatsbibliothek hat ihn bereits im Bestand.

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