Szene München:Münchner, geht in Jogginghose einkaufen!

Tag der Jogginghose

Jogginghose an, einkaufen, fertig.

(Foto: dpa/Florian Peljak/Catherina Hess)

Ungeduscht darf man obendrein sein - es interessiert eh keinen. Auch wenn uns Lifestyler und Modeblogger etwas anderes einreden wollen.

Kolumne von Elisa Britzelmeier

Die Population des Lehels traut sich kaum ungeschminkt auf die Straße, der gemeine Maxvorstädter kann nicht in Jogginghose einkaufen gehen, ohne sich ordentlich zu genieren, und typisch für das Habitat Untergiesing ist, dass auch Schlabberlook geht. Das sind nicht etwa die Ergebnisse von Ethnologen nach einer Langzeitbeobachtung des sich wandelnden Lebensraums München, so etwas ist gelegentlich in Stadt-und Lifestyle-Blogs zu lesen. Aha.

Liebe Lifestyler! Man kann in ganz München prima in Jogginghose einkaufen gehen. Jogginghose an, einkaufen, fertig. Das ist wie mit der Bikinifigur, die man bekanntlich davon bekommt, dass man einfach einen Bikini anzieht.

Auch in anderen Städten schreiben Autorinnen (ja, es sind meist Frauen) Texte darüber, was passiert, wenn sie einmal vergessen, sich zu schminken. Spoiler: nichts. Die meisten Leute juckt es einfach nicht, sogar nullkommanullgarüberhauptnicht. Kenner wissen, dass man schon mindestens mit ungewaschenen Haaren auflaufen sollte, um aufzufallen.

Ganz anders sieht es da auf dem Land aus. Je nach Dorf stellt die Jogginghose vielleicht keine allzu große Abweichung von der Norm dar, aber wehe, man hat Löcher im Pulli, dunkle Augenringe oder einen bunten Hut auf dem Kopf. Jeder kennt jeden, da wird dann gleich losspekuliert: Hast du die Müller Vreni gesehen in ihrer total fleckigen Jeans? Lässt sich die vielleicht scheiden?

In der Stadt dagegen müsste man sich schon mindestens einen dreckigen Kissenbezug umbinden, um auf eine persönliche Krise aufmerksam zu machen. Oder ein Einhornkostüm anziehen.

Es lebe die Anonymität der Großstadt! Danke, München, fürs Jogginghoseanhabendürfen! Hier, liebe Lifestyler, kann man sogar noch viel verrücktere Dinge anstellen. Als Frau mit einer anderen Frau Kinder großziehen. Gar keine Kinder haben. Als Vater mehr als zwei Monate Elternzeit nehmen. SPD wählen. Geht alles, ohne dass jemand tuschelt.

Wenn man dann so richtig crazy ungeduscht und in Jogginghose ohne Kinder Richtung Supermarkt unterwegs ist, sieht man vielleicht sogar einen bekannten Schauspieler im Café sitzen. Der profitiert von der Anonymität der Großstadt nur bedingt, für ihn ist München fast ein Dorf, könnte man meinen, aber keinen interessiert's. Münchner sind recht gut darin, an Promis einfach vorbeizuschauen. Selbst dann, wenn die ganz und gar ungestylt sind.

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