Süddeutsche Zeitung

Szene München:München, du hast es so gut

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Seit sechs Jahren kann man weggehen, ohne danach nach Aschenbecher zu riechen. Wer immer noch mit dem Rauchverbot hadert, sollte mal nach Berlin fahren.

Kolumne von Ana Maria Michel

Der Münchner weiß gar nicht mehr, was er hat. Wie schön ist es doch, beim Feierabendbier in der Kneipe tief durchatmen zu können. Nach der Nacht im Club nicht vom Gestank der eigenen Haare beim Ausschlafen gestört zu werden. Und die Hose vom Abend am nächsten Tag noch einmal anziehen zu können.

Seit sechs Jahren gilt das Rauchverbot in Bayern. Seitdem darf in öffentlichen, geschlossenen Räumen nicht mehr geraucht werden. Kneipen, Clubs, Restaurants und selbst Bierzelte - alles rauch- und stinkfreie Zonen. Wie selbstverständlich verziehen sich die Raucher nach draußen. Nur manchmal im Winter, wenn es sehr kalt ist, meckern sie kurz auf. Man hat sich daran gewöhnt. Die Rede von der Romantik der Rauchschwaden ist Geschichte. Kaum einer vermisst es, sich am nächsten Morgen zu fühlen, als hätte er die Nacht im Aschenbecher verbracht.

Eine ganz andere Angelegenheit ist dagegen die Berliner Luft. In der Hauptstadt gilt das lockerste Rauchverbot des Landes. Es gibt dort Kneipen, in denen geraucht wird, als wäre 1976. Münchner auf Berlin-Besuch wollen natürlich trotzdem in die hippen Bars. Nach dem ersten Abend kommt es allerdings, das große Bäh. Die Haare: stinken. Die Klamotten: widerlich.

Dazu dieser Husten und der Brummschädel, der garantiert nichts mit den letzten drei Schnäpsen zu tun hat. Schuld sind nur die Zigaretten der anderen. Was dann kommt, sind die Schreie des Entsetzens: Wie kann man nur? In der Öffentlichkeit rauchen - geht gar nicht!

Es ist wie mit allen Dingen, an die man sich gewöhnt hat: Irgendwann werden sie selbstverständlich. Man vergisst, dass es früher anders war. Und anders heißt im Zusammenhang mit früher eben nicht zwangsläufig besser. Vor dem Verbot gab es auch zur Pizza im Restaurant den Qualm vom Nebentisch. Rauchen beim Essen, heute würde das als Affront verstanden werden. Das geht sogar den Berlinern zu weit.

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Quelle:
SZ vom 22.09.2016
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