Süddeutsche Zeitung

Szene München:Lasst die U-Bahnen endlich rund um die Uhr fahren!

Andernorts klappt das bereits. Warum nur nicht in München, der Stadt mit dem größten Bierfest der Welt?

Kolumne von Korbinian Eisenberger

Drei Uhr früh, am Omnibusbahnhof fahren kaum mehr Busse, die Zeit der Taxis hat längst begonnen. Im Neuraum schlagen sich wieder Hunderte Münchner die Nacht um die Ohren, manche kommen die Treppen des Clubs heraufgewankt, der Fleiß an der Bar zeigt Wirkung. Eine Frau versucht, ihren torkelnden Begleiter in eines der Taxis zu setzen. Taxis sind zwar genügend da, die Resonanz ist aber eindeutig: Dass der Herr sich das abschminken könne, heißt es. Man solle sich bitte von der Autotür schleichen.

Kein Taxifahrer ist scharf auf vollgespiene Polster - wer wäre das schon? Und doch ist verwunderlich, wie häufig man Szenen wie diese gerade in München beobachtet: Kaum eine andere Stadt ist schließlich so sehr auf Rausch ausgelegt. Hier gibt es selten Debatten über Risiken von Billigbier und Suff. Hier diskutieren Politiker über eine Bierpreisbremse fürs Oktoberfest.

Klar, Gastronomie, Bier und Rausch bilden in München eine funktionierende Einheit - allerdings nur, solange sich jemand noch durstig zeigt. Sobald der Rausch seine Wucht entfaltet, fühlt sich niemand mehr für den Nachtschwärmer zuständig. Wer in München einen Sitz zur Heimfahrt sucht, sollte keinen sitzen haben.

Dabei geht es auch anders: Berliner können am Wochenende bis in die Morgenstunden U-Bahn fahren, in Dresden sind die wichtigen Straßenbahnen dann bis spät in die Nacht unterwegs. In München, der Stadt des größten Bierfestes der Welt, können Nachschwärmer hingegen froh sein, wenn Taxifahrer sie als mitfahrtüchtig erachten.

Angesichts der rauschigen Wucht, die diese Stadt auch in Wiesn-freien Zeiten entfaltet, wäre doch eine ganz andere Ausrichtung erforderlich: Die U-Bahnen müssten rund um die Uhr fahren. Und es bräuchte unter jedem Sitz einen ausfahrbaren Kübel.

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Quelle:
SZ vom 23.03.2017/vewo
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