Süddeutsche Zeitung

Szene München:Heimweg mit Hindernissen

"Blaukleid bleibt Brautkraut": Wer nach dem letzten Absacker mit Zungenbrechern wie diesem Probleme hat, sollte das als klares Zeichen sehen. Wie der Heimweg mit dem Rad zum Hindernisparkour werden kann.

Eine Kolumne von Charlotte Haunhorst

Der "Absacker" ist der gesellschaftlich akzeptierte Schlusspunkt jeder Feiernacht. Danach darf man schlafen gehen, ohne als Langweiler zu gelten. Schwierig wird es allerdings, wenn die Freunde sich nicht an dieses Gesetz halten und sagen, man dürfe doch nicht fahren. Weil sie einem schlicht die Fähigkeit absprechen, sich jetzt noch auf ein Fahrrad zu schwingen und ordentlich zu lenken.

Man selbst findet sich noch akzeptabel - drei große Wein und ein Cheeseburger sind okay. Die anderen sagen, man sei zu betrunken. Dazu erzählen sie Beispiele der schlimmsten Fahrradeskapaden, wie abgebrochene Schneidezähne, Gehirnerschütterungen und komplizierte Brüche. Ist angeblich schon alles Bekannten passiert, die sich nun wünschten, auf ihre Freunde gehört zu haben. Außerdem: Bei einer Polizeikontrolle ist der Führerschein weg.

Die Verteidigungstaktik: Finger mit geschlossenen Augen an die Nase stupsen (und diese sehr knapp treffen), eine gerade Linie von der Bartür bis zur Theke laufen (gerade Fugen im Boden sind hilfreich) und einen Zungenbrecher aufsagen ("Blaukleid bleibt Brautkraut"). So richtig überzeugt ist davon keiner, die Freunde bieten einen Deal an: Noch eine halbe Stunde Wasser trinken, dann dürfe man losradeln. Und wenn's doch eine Polizeikontrolle gibt, sei man halt selber schuld.

Eine halbe Stunde später sitzt man auf dem Rad und fühlt sich so gut, dass man leise vor sich hin singt. Bis ein Polizeiwagen hält. Schlangenlinien fahren und singen wirkt betrunken, da hilft es auch nicht, einen Finger an die Nase zu stupsen. Der Puster aber zeigt nur 0,3 Promille, die Polizisten sind enttäuscht.

Sie diskutieren, ob man noch einen Bluttest machen müsse, blicken aber dann in zwei sehr müde Plinkeraugen. Mahnender Zeigefinger also nur und die Ansage, nach Hause zu laufen. Abgemacht! Fühlt sich an wie ein Triumph. Jetzt ist es amtlich: Radfahren war noch okay. Zumindest theoretisch.

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Quelle:
SZ vom 03.07.2014/amm
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