Szene München:Hallo, seid ihr alle dabei?

Mobil im Netz

Schnell ein Foto, damit die anderen Bescheid wissen - warum digitale Teilhabe nervt.

(Foto: dpa)

Auf der Bühne schwitzt die Band, Bier spritzt durch die Luft - und im Publikum steht einer, der per Whatsapp und Twitter berichtet. Wer sich so um Teilhabe seiner Freunde bemüht, ist in Wahrheit oft einfach nur ein Angeber.

Von Christiane Lutz

Den Begriff "Teilhabe" verwenden zurzeit gern Menschen, die sich von irgendetwas ausgeschlossen fühlen, aber lieber dabei sein wollen. Oder Menschen, die andere gern einbeziehen wollen. Teilhabe bedeutet nämlich das Gegenteil von Ausgrenzung. Was nach fadem Ethikunterricht klingt, hat mit Popkonzerten mehr zu tun, als es auf Anhieb scheinen mag.

Die Münchner Konzertgänger sind nämlich stets sehr um Teilhabe bemüht. Nicht etwa, indem sich der Zweimetermann aus dem Sichtfeld der Einssechzigfrau entfernt, damit sie auch was vom Konzert mitbekommt. Nein, Teilhabe funktioniert so, dass Konzertbesucher ihre Freunde auf der Couch und auf Facebook rücksichtsvoll ins gerade verpasste Ereignis einbeziehen.

Wie moderne Teilhabe funktioniert

Beispiel: Die Band rockt und schwitzt auf der Bühne, Bier spritzt, die Masse dampft - und einer im Publikum tippelt seelenruhig in sein leuchtendes Display: "Voll geile Stimmung hier, wohoooo!" und sendet diese Nachricht per Whatsapp an Jennifer und Thomas, die leider verhindert sind an diesem Abend. Jennifer schickt drei "Daumen hoch", Thomas das Bild einer Rakete.

Der Konzertbesucher teilt ein verwackeltes Foto auf Twitter, auf Facebook mit der Unterzeile "Rockin' the stage" und checkt danach minütlich, ob die Freunde beim Teilhaben genauso viel Spaß haben wie er beim Konzert. Soll sich ja keiner ausgeschlossen fühlen müssen im Jahr 2015.

Was als einbeziehende, soziale Geste getarnt ist, ist in Wahrheit oft pure Angeberei à la: "Ich hab Karten für das ausverkaufte Konzert bekommen und du nicht." Blöd nur, dass beim nächsten Facebook-Check der Kumpel gerade ein ziemlich cooles Foto aus dem Fußballstadion postet, wo "der Verein die Sau rauslässt" und "ein Jahrhundertspiel" stattfindet. Ständig teilhaben müssen kann auch ganz schön frustrierend sein.

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