Süddeutsche Zeitung

Szene München:Gefährlicher Smalltalk

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Während sich manch einer freut, endlich in einem neuen Club zu tanzen, ist genau derselbe Laden für andere schon längst wieder out. Da kann sich ein ahnungsloser Münchner beim Smalltalk mit hübschen Frauen ganz schön blamieren.

Michael Tibudd

Man kann unendlich viel falsch machen beim Smalltalk, das gilt im Aufzug beim Not-Gespräch mit dem Chef, aber auch nachts, privat, beim Tingeln durch Kneipen und Clubs.

Mit einem Barkeeper lässt man sich besser nicht auf eine Unterhaltung über den richtigen Gin zum Tonic Water ein, wenn man davon nichts versteht. Ahnungslosigkeit kann schnell peinlich werden. Aber es warten auch andere Fallstricke. Auf gar keinen Fall sollte man etwa kundtun, dass man in einem Laden, der für andere den Status neu und angesagt schon längst verloren hat, zum ersten Mal ist.

Jedenfalls nicht, wenn man es mit Leuten wie Danielle zu tun bekommt. Danielle ist klein, blond und offenbar sehr szenekundig. Sie steht im gesteckt vollen Charlie, dem Club, der Untergiesing in jüngerer Zeit zu einer ernstzunehmenden Gegend für Nachtaktive gemacht hat.

Danielle rümpft die Nase. Seit der Laden neulich im Prinz empfohlen worden sei, komme wirklich jeder hier her. Jeder, sie sagt das mit einem Ausdruck, der von tief sitzender Verachtung zeugt. Der exklusive Anspruch, nur unter echten Szenegängern zu sein, lässt sich hier nicht mehr halten; ungeschriebene Gesetze verlangen, dass sie dafür bald woanders hingehen muss. Ob sie schon wisse, wo das ist? "Nein", sagt Danielle. "Und wenn ich es wüsste: Dir würd' ich's nicht sagen."

Das sitzt. In dieser Runde gibt es nichts mehr zu besprechen. Man tut gut daran, sich aus einer solchen Unterhaltung schnell zurückzuziehen. Es hilft allenfalls ein flott gemischter Gin Tonic und der Gedanke an eine altmünchnerische Weisheit, derzufolge in ist, wer drin ist.

Die Wahrheit, das hat die Episode mit Danielle gezeigt, ist eine andere. In Anbetracht eines vernichtenden Urteils allerdings tun wohlbekannte Phrasen manchmal einfach gut.

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Quelle:
SZ vom 26.07.2012
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