Szene München:Frotteure der Nacht

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In einer vollen Bar erträgt man es ja noch, wenn sich der Nebenmann an einen drängt und die Nebenfrau einem die Haare ins Gesicht wirft. Aber muss man das auch in halbleeren Lokalen erdulden?

Von Karoline Meta Beisel

Mit dem Körperkontakt ist es so eine Sache. Damit ist jetzt nicht der mit voller Absicht herbeigeführte, gewollte Körperkontakt gemeint. Sondern jene mehr oder weniger zufälligen Berührungen, die sich ergeben, wenn man in einer Bar so eng nebeneinander steht, dass man meint, jeden Ton, den die fremden Stimmbänder formen, als Vibration am eigenen Körper zu spüren. Ist der nahe Fremde eine Frau, kommt häufig noch eine Haar-Kitzel-Komponente hinzu. Männer tragen heute ja kaum noch lange Haare.

Die Akzeptanz dieser eigentlich ungewollten Körperkontakte ist direkt proportional zur Vollheit des Ladens. Wer Samstagnacht um kurz vor eins im Café Kosmos am Tresen auf seinen Grasovka Apfel wartet, wird sich nicht beschweren, wenn ein Fremder sich derart dicht vorbeikuschelt, dass man sich vorkommt wie bei der Ganzkörpermassage. Auch akzeptiert man, dass die Nebenan-Steherin einem bei jedem Lachen ihren Pferdeschwanz ins Gesicht peitscht. Geht eben nicht anders, wenn es voll ist, und so massiert man halt auch Fremde mit dem Körper und peitscht gelassen zurück.

Unnötiges Geschiebe an der Bar

Völlig anders stellt sich die Situation dar, wenn das Geschiebe gar nicht nötig ist. Nämlich dann, wenn in einer normal gefüllten Bar genug Platz wäre, ohne übermäßigen Körperkontakt einfach nebeneinander zu stehen. Der eigentliche Stress entsteht dabei übrigens gar nicht dadurch, dass man die Berührung als unangenehm empfinden würde - sondern durch den inneren Kampf: Soll man die unablässig mit ihrem Pferdeschwanz wedelnde Tresennachbarin auffordern, ein Stück wegzurücken?

Wäre es eleganter, selbst Distanz zu dem brummenden Boaznbär zu schaffen? Outet man sich damit nicht als Misanthrop? Sind die anderen auch so verspannt? Andererseits wäre das auch ein tristes Leben, würde man immer nur berührt, wenn es sich nicht vermeiden lässt.

© SZ vom 13.11.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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