Szene München:Doktor der Mixologie

Tröpfchenweise zum Traumcocktail: Früher hat sich der Barkeeper einfach um einen guten Drink gekümmert, heute nennt er sich Mixologe und betreibt eine Wissenschaft für sich. Zum Heilsbringer ist es von da nur noch ein kleiner Schritt - denn nicht umsonst sind die Wörter Spiritualität und Spirituosen miteinander verwandt.

Judith Liere

Szene München: Mehr als Bier abzapfen: Wer bei dieser Auswahl (hier im Pacific Times) den richtigen Tropfen findet und diesen auch noch in der richtigen Menge dosiert, darf sich ruhig als Mixologe bezeichnen.

Mehr als Bier abzapfen: Wer bei dieser Auswahl (hier im Pacific Times) den richtigen Tropfen findet und diesen auch noch in der richtigen Menge dosiert, darf sich ruhig als Mixologe bezeichnen.

(Foto: Stephan Rumpf)

In Zeiten, in denen Hausmeister Facility Manager genannt werden, kann auch der Barkeeper nicht mehr bloß Barkeeper heißen, wenn er sich abheben will vom Studenten mit Wollmütze, der hinter irgendeinem Kneipentresen steht und Bier zapft. Will er betonen, dass er einer hochkomplexen Tätigkeit nachgeht, die man sich nicht mal eben so nebenbei aneignen kann, dann nennt er sich Mixologe. Dieser Begriff breitet sich immer weiter aus, meist in Lokalen, die mehr als eine Gin-Sorte auf der Karte haben.

Der Mixologe will als Wissenschaftler verstanden werden, das macht die Endung seiner Berufsbezeichnung klar. Die amerikanische Comedy-Hip-Hop-Band Fog and Smog, die sich in ihren Liedern schon über Yoga-Frauen und Biomarkt-Einkäufer lustig gemacht hat, fragt in ihrem aktuellen Song: "Hey Mr. Mixologist - did you have to go to college for this?".

In der New Yorker Bar "Apotheke" tragen die Herren hinter der Bar konsequenterweise Laborkittel, und jeder der - verdammt leckeren - Cocktails hat mindestens zehn verschiedene Zutaten, die zum Teil nur tröpfchenweise zugegeben werden. Vielleicht gewinnt einer von ihnen mal den Nobelpreis für Mixologie.

Auch in München gibt es immer mehr Mixologen, die ernst genommen werden wollen, in ihrer gesellschaftlich durchaus wichtigen Aufgabe, Menschen einen gepflegten Rausch zu bereiten, und die ihr Wissenschaftsfeld durch Forschung und Innovationen weiter vorantreiben wollen.

Einer davon ist der Betreiber der wunderbaren "Goldenen Bar", die gerade vom Fachmagazin Mixology (jawohl!) zur Bar des Jahres gewählt wurde. Er heißt Klaus Stephan Rainer, doch seinen zweiten Vornamen kürzt er mit St. ab. Der nächste Schritt, vom Wissenschaftler zum Heiligen und Heilsbringer, ist damit gemacht. Nicht ohne Grund sind die Wörter Spiritualität und Spirituosen miteinander verwandt. In Ewigkeit, prost.

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