Süddeutsche Zeitung

Szene München:Die Leiden des Spezitrinkers

Keine gute Idee: Abends beim Weggehen ein Spezi statt Bier bestellen, das weckt die Gier der Wirte. Die Gläser werden kleiner, die Preise aber nicht.

Von Korbinian Eisenberger

M ünchen verführt einen in diesen Tagen zu einem Bier in der Sonne. Das schöne Wetter, klar, die Biergärten - logisch. Überall bierige Anlässe, und selbst an kälteren Abenden ist München eine Stadt, die stets Gründe liefert, auf alternative Erfrischungen zu verzichten.

Die Gäste im Untergiesinger Lokal Charlie spülen ihre vietnamesischen Frühlingsrollen wie gewohnt mit Weißbier herunter. Nur der Autolenker entscheidet sich an diesem Abend für ein zwar ebenso urtypisches, jedoch alkoholfreies Getränk: Spezi, längst ein Begriff, der eine von der Original-Marke losgelöste Getränkegattung bezeichnet - deren Bodenständigkeit aber in München langsam abhanden kommt.

Es ist doch so: Wer sich in bayerischen Gasthäusern einen Spezi bestellt, der bekommt in der Regel einen halben Liter koffeinhaltiger Flüssigkeit im Glas serviert. Erstaunlich ist, dass diese Gepflogenheit ausgerechnet in der Landeshauptstadt verschwindet. Münchner Spezi-Ausschenker ersparen ihren Gästen zwar nichts am Preis, mittlerweile dafür mit Vorliebe ein Fünftel der Füllmenge - und servieren das Getränk im 400-Milliliter-Behältnis. Beim Bier ist diese Gangart nicht ganz so inflationär - es lässt sich also noch darüber flachsen, ob das Ganze raffiniert oder frech ist. Wenn die Münchner Gastronomen allerdings zum Ruach werden, dann hört der Spaß eindeutig auf.

Im Charlie ist es nicht die nach Schuhcreme schmeckende Tofu-Suppe, die den Spezibesteller leicht angesäuert in sein Auto steigen lässt. Auch nicht die beiden Flascherl, aus denen sich der Spezi eigenhändig mischen lässt. Die ersten bayerischen Spezi-Genießer mixten sich ihre Erfrischung Ende der Sechziger schließlich auch selbst aus Cola und Orangenlimo zusammen. Urtypischer könnte der Spezi im Charlie demnach kaum sein. Beim Blick auf die Rechnung ist es mit der Freude aber schnell vorbei. Der Kostenpunkt für den Urtyp liegt bei 6,50 Euro. Das Auto, heißt es schließlich, das lenke nächstes Mal ein anderer.

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Quelle:
SZ vom 13.05.2015
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