Süddeutsche Zeitung

Neujahr:Guter Vorsatz: mehr Alkohol vertragen

Nach Silvester liegt das Jahr brach vor dem ausgehwilligen Menschen. Seine Aufgabe besteht nun darin, den Samen des schlechten Einflusses zu säen.

Kolumne von Laura Kaufmann

Diese letzten paar Tage des Jahres, die sind eine Schonfrist für Freunde des gepflegten Rausches. Schonfrist, weil die Weihnachtskinder ihre Geburtstage nachfeiern, alte Freunde in der Stadt sind, die getroffen werden wollen, und weil die Leute noch im "auch-schon-wurscht"-Modus operieren nach all den festlichen Völlereien und Besäufnissen. Aber Silvester wird kommen, unweigerlich; der Abend, an dem Menschen feiern gehen, die sonst nie feiern gehen. Und dann Neujahr, wenn Menschen laufen gehen, die sonst nie laufen gehen.

Mit Neujahr kommen die guten Vorsätze, und sie sind der natürliche Feind des ausgehwilligen Menschen. Denn gute Vorsätze lauten selten "Ich möchte sozialer werden", "Ich möchte weniger schlafen und stattdessen mehr Zeit mit meinen Freunden am Tresen verbringen" oder "Ich möchte mehr Alkohol vertragen". Stattdessen antworten Menschen, die man nach ihrer Abendplanung fragt, ab dem 1. Januar mit für sie untypischen Sätzen, in denen Wörter wie "Fitnessstudio", "alkoholfreier Monat" oder "basische Ernährung" vorkommen. Ein Kneipenabend verträgt sich offenbar auch nicht mit mehr Achtsamkeit im Leben, sehr selten wird Yoga in Bars praktiziert und ein frischer Ex-Raucher sieht sich nach zwei Bier schon verführt, seine guten Vorsätze im Aschenbecher auszudrücken.

Nach Silvester liegt das Jahr brach vor dem ausgehwilligen Menschen. Seine Aufgabe wird nun darin bestehen, den Samen des schlechten Einflusses zu säen, auf dass er zu zarten Trieben sprießen und die guten Vorsätze seiner Nächsten verdrängen und ersticken möge. Ob das neue Jahr damit einen moralisch einwandfreien Start erhält, sei dahingestellt. Aber was bleibt dem Freund des gepflegten Rausches anderes übrig, dessen einziger Vorsatz es ist, öfter mal die Kneipe zu wechseln. Vielleicht tut er dem ein oder anderen sogar einen Gefallen. Weil der Freund den Bruch des guten Vorsatzes auf jemand anders schieben kann. Und weil es manchen sogar gut täte, sich weniger ernst zu nehmen, die Diät sein zu lassen. Und dafür öfter mal am Tresen zu versacken.

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SZ vom 29.12.2016/eca
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