Szene München:Ausgezappt im Wirtshaus

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Noch haben sie die Macht im Wirtshaus - die Bedienungen. Eine App könnte das bald ändern. (Foto: CATH)

Münchner Stammtischbrüder waren ihren Bedienungen bisher hoffnungslos ausgeliefert. Eine App ändert das: Sie hält für sämtliche Radios und Stereoanlagen das passende Infrarot-Signal bereit - und birgt eine Gemeinheit für die Kellnerin.

Von Korbinian Eisenberger

Der korrekte Umgang mit Münchner Bedienungen will gelernt sein. Wer bei der Bestellung lieber auf sein Smartphone schielt, oder - ganz frech - auf die Blusen-Knöpfe der Kellnerin, der handelt sich bisweilen tadelnde Worte ein. Stammtischbrüder waren ihnen bisher hoffnungslos ausgeliefert. Genau das könnte sich jetzt jedoch ändern. Eine App befähigt den Wirtshausgast, die Bedienung mit ihren eigenen Waffen zu schlagen. Genauer gesagt mit einer mobilen Fernwaffe.

Wer den korrekten Umgang mit der Bedienungs-App "Quick Remote" erlernt hat, kann sich getrost seiner Sammlung an Schaltapparaten entledigen. Die App-Datenbank hält für sämtliche Radios, Fernseher oder Stereoanlagen das passende Infrarot-Signal bereit. Das spart Kunststoff und Batterien und ist zweifelsohne praktisch - hätte die Angelegenheit nur nicht diesen einen Haken: "Quick Remote" birgt eine Gemeinheit, an die der Handy-Hersteller LG vermutlich gar nicht gedacht hat.

Ein Klick - und weg ist die Musik

Es trägt sich an einem Abend in der Münchner Maxvorstadt zu: Ein Stammtischbruder hat sein LG-Smartphone ins Gasthaus Atzinger mitgebracht. Sein Spezl entziffert alsbald den Schriftzug auf der Stereoanlage hinter der Bar, ehe die Information in die Handy-Datenbank wandert. Ein Fingertippen auf der Screen - und an den Holzvertäfelungen hallt nicht mehr Taylor-Swift-Gedudel wider, sondern nur mehr das Klirren der Weißbiergläser.

Die Musik ist ausgezappt, die Stammtischbrüder fühlen sich jetzt ein bisschen wie jene Lausbuben, über die der Kabarettist Gerhard Polt in seinen Stücken herzieht. Wirtshaus-Experte Polt hätte ihnen für ihre Schalterei vermutlich Schmerzen angedroht. So wie dem Buben, der Polt einst mit einer Zweit-Fernbedienung den Länderspielabend vermieste. Von draußen habe der "Sauschraz" durchs Fenster zum Musikantenstadl umgeschaltet.

Eine poltsche Schimpftirade bleibt dem Fernbediener im Atzinger freilich erspart. Zwei Kellnerinnen tauschen verwunderte Blicke aus und zucken mit den Schultern. Die Musik hat dann wieder jemand angemacht. Keine Fern-Bedienung, sondern eine mit Knöpfen auf der Bluse.

© SZ vom 05.02.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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