Süddeutsche Zeitung

Ehe:Warum muss ein Junggesellenabschied so unwürdig sein?

Angehende Eheleute laufen in Babywindeln, als Bierflasche oder Genital verkleidet durch die Stadt. Für die Zuseher ist das ein Anlass zur intensiven Fremdscham.

Kolumne von Korbinian Eisenberger

Sie tragen Hasenkostüme oder Frauengewänder, laufen in Babywindeln, als Bierflasche oder Genital verkleidet durch die Stadt. Manche sind mit einem Halsband angeleint, die meisten bewegen sich schwankend und werden dann des Abends - für den Fall, dass sie noch stehen können - in Kneipen oder Striplokale gezerrt.

Man muss am Wochenende nur mal in den Englischen Garten gehen, über den Marienplatz flanieren oder in die U-Bahn steigen: Überall verabschieden sich Münchner vom Junggesellendasein, Frauen wie Männer. Welch Gaudi, sagen die einen. Welch ein Schmarrn, sagen die anderen - das sind meistens all jene, die dem Treiben zusehen müssen. Selten mal, dass jemand die immer gleichen Albernheiten ehrlich lustig findet. Für die Zuseher sind Junggesellenabschiede eher Anlass zur intensiven Fremdscham. Und zur Frage, warum Freunde sich das untereinander eigentlich antun.

Um die Historie der Junggesellenabschiede ranken sich Mythen und Theorien, vielleicht liegt der Ursprung in England, vielleicht in den USA, vielleicht ganz woanders. Auffällig ist, dass der Junggesellenabschied den klassischen Polterabend bei vielen Münchnern verdrängt oder zumindest ergänzt hat. Einst wurden im gemeinsamen Akt Gefäße zerschmissen und anschließend aufgeklaubt. Heute ziehen Braut und Bräutigam getrennt los, um es noch mal richtig krachen zu lassen.

Klirrende Scherben oder krachende Feten - klar ist: Die Chance, dass man sich beim Junggesellenabschied zum Affen macht, ist deutlich höher. Braucht's das? Warum organisieren sogenannte Freunde nicht einen Tag, der erkennen lässt, dass ihnen ihr Spezl was bedeutet? Warum lassen sie einen den Abschied so unwürdig verleben? Man kann vom Heiraten halten, was man will. Wer Freunde hat, die einen halb nackt an der Leine durch die Stadt führen, ist jedenfalls schon vorab gestraft. Es bleibt lediglich die Gewissheit: Schlimmer kann die Ehe dann auch nicht mehr werden.

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SZ vom 27.04.2017/eca
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