Süddeutsche Zeitung

Szene-Kolumne:Platz für alles

Bar und Biergarten, Garten und Stadt, Wohnort und Szenetreff, Metropole und Dorf, exklusiv und doch für jeden: Wer auf dem Gärtnerplatz hockt, kann nichts verpassen.

Philipp Crone

Vor ein paar Tagen war am Gärtnerplatz wieder ein bekanntes Schauspiel zu sehen. Um Mitternacht der ersten lauen Wochenendnacht des Jahres standen an die tausend Menschen auf dem grünen Kern zwischen Brunnen und Blumen, so eng zusammengedrückt wie sonst nur in den ersten Reihen eines Open-Air-Konzerts der Stones. Rasen, Geländer, Bänke, Wege, alles besetzt.

Das Phänomen als solches ist nicht neu, doch so viele Menschen waren es noch nie. Und die Frage ist: Warum treffen sie sich nicht am Odeons-, Jakobs- oder Isartorplatz?

Die Lichtung zwischen Klenze-, Cornelius und Reichenbachstraße ist ideal für des Münchners Bedürfnisse. Die Sicht: Wer im Café sitzt, hat die Beete im Blick, vom Brunnen im Zentrum schaut man auf den gesamten Platz. Hier sieht man und wird gesehen.

Die Lage: Mittendrin und doch im Grünen. Wer neben einer der kniehohen Hecken liegt, fühlt sich wie zwischen Bäumen, Bänken und eleganten Straßenlaternen im Park. Zu hören sind nur Stimmen, kaum ein Auto fährt noch um die Zeit.

Die vierstöckigen Häuser ringsum machen den Ort zu einer Oase in der Großstadtwüste, offen und zugleich geschlossen. Und alles ist so nah. Bars, Clubs, der Viktualienmarkt, die Isar, zur Hochkultur sind es nur ein paar Treppenstufen, zu den Currywürsten ein paar Schritte.

Da trinken Frauen mitgebrachten Weißwein, liest ein weißhaariger Großstadteremit im Trenchcoat seine Zeitung. Sehnige Typen diskutieren über Fahrradfederungen, während Damen und Herren mit Rollkoffern zum Kiosk rattern, um Bier zu kaufen.

Das Wichtigste allerdings: Der Gärtnerplatz ist Yin und Yang, Start und Ziel, weil er alle Bedürfnisse vereint. Bar und Biergarten, Garten und Stadt, Wohnort und Szenetreff, Metropole und Dorf, exklusiv und doch für jeden. Wer hier hockt, kann nichts verpassen, weil alles da ist.

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Quelle:
SZ vom 10.05.2012/sonn
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