Szene-Kolumne:Jaulen gehört zum guten Ton

Münchner Wirte versuchen, ihre Gäste bei Laune und Durst zu halten. Manche legen dafür Schafkopfkarten aus, veranstalten Quizabende, stellen einen Kicker- und Billardtisch auf. Andere setzen auf Karaoke - und wer einfach in Ruhe sein Bier trinken will, hat gegen die gruseligen Gesänge keine Chance.

Lisa Sonnabend

Rocco dreht sich zum groovenden "Play That Funky Music" im Kreis und verheddert sich dabei im Mikrofon. Torti und seine Freunde singen "Paradise City", zumindest das Haareschütteln sieht fast so aus wie bei Axl Rose. Und schließlich tritt eine blonde Frau auf die Bühne, als Tina Turners "Simply the Best" erklingt. Ihre Stimme erfüllt den Raum, wenn auch nicht bis in die hinterste Ecke. Sie tippt mit ihrem Fuß irgendwo zwischen den Vierteln des Taktes herum und blickt gebannt auf den Bildschirm, auf dem der Liedtext vorbeiläuft.

Hopfendolde Karaoke

Seit 20 Jahren wird in deutschen Bars gesungen: Karaoke in der Hopfendolde.

(Foto: Lisa Sonnabend)

So sieht das aus, um kurz nach Mitternacht in der Schwabinger Hopfendolde, Feilitzschstraße 17. Vor 20 Jahren baute Wirt Ali hier eine Karaokeanlage auf - es war eine der ersten in Deutschland. Immer donnerstags und sonntags singen seine Gäste seitdem.

Die dunklen Holzmöbel sind mittlerweile zwar ein wenig aus der Mode gekommen, doch das Mikro funktioniert noch immer einwandfrei. Nur wenige Gäste haben in der Zeit perfekte Lead-Vocals gelernt, aber schräges Trällern gehört ja hier zum guten Ton.

In den siebziger Jahren entwickelte sich das Karaoke-Singen zunächst in Asien zu einem Massenphänomen, seit 1992 betreiben es auch die Deutschen. Allerdings ist es hierzulande kein Volks-, sondern ein Kneipensport. Das kann man hören.

Karaoke ist nicht das einzige Mittel, mit dem Münchner Wirte versuchen, ihre Gäste bei Laune und Durst zu halten. Manche legen auch Schafkopfkarten aus, veranstalten Quizabende, stellen einen Kicker- und Billardtisch auf oder zeigen Fußball. Sogar das Seniorenspiel Bingo hat Einzug in Münchens Kneipen gehalten. Das alles kann ignorieren, wer einfach in Ruhe sein Bier trinken will, nur nicht die gruseligen Gesänge.

Bei Karaoke ist der einzige Trost: Das schräge Gejaule kann man sich schöntrinken, zumindest ein bisschen.

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