Süddeutsche Zeitung

Szene-Kolumne:Die Obazdabrezn ist die perfekte Erfindung

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München sollte weniger Maximilianstraße, weniger Wiesn, weniger Brauchtsdes sein - und dafür ein wenig mehr wie die Obazdabrezn. Zeitlos gut eben. Ein Plädoyer.

Von Bernhard Hiergeist

Wir müssen dringend über die Obazdabrezn und ihre Bedeutung für den Lifestyle reden. München hat ja Kultur zum Saufüttern. Oper und Orchester, Theater mit Nackerten. Vintagecafés, wo die Möbel aussehen, als seien sie alle mal angezündet worden, damit es etwas hipper wirkt. Boazn.

Die Stadt drängt einerseits ständig nach urbaner Erneuerung, andererseits würde sie gern so bleiben, wie sie immer schon war. Was will man denn sein? Blind fortschrittsgläubig oder rückwärtsgewandt? Diesem Spannungsfeld sind die Menschen ständig ausgesetzt. Und es gibt nichts, was vermitteln könnte.

Halt, nein, es gibt ja eben die Obazdabrezn, übrigens nicht zu verwechseln mit der obazdn Brezn. Sie löst das angesprochene Dilemma zwar nicht auf, zeigt aber, dass da irgendwo doch ein Weg ist. Mit dem Obazdn kommt eine auffällig orange Neuerung zur Brezn. Neben den Butterbrezn sind die Obazdabrezn wahre Hingucker, es gibt sie inzwischen sogar schon am Hauptbahnhof.

Aber sie sind dann eben auch nicht über alle Maßen hip, dass sich zum Beispiel ein sogenannter Influencer auf Instagram damit präsentieren würde und vielleicht auch noch einen Text dazu schreiben würde, etwas wie: #obazdabrezn #swag. So dass diejenigen, die mit der Angst leben müssen, plötzlich zum Hipster zu werden, ohne es zu merken, sagen würden: "Ess' ich lieber nicht." Keine Sorge. Die Obazdabrezn dreht keinerlei Swag auf.

Auf der anderen Seite handelt es sich immer noch um eine Brezn. Die ist als Erfindung perfekt, wie sonst vielleicht nur ein Stuhl oder eine Tür. Sie ist zeitlos. Niemand, der sich für Avantgarde hält, würde aus diesem Grund also keine Obazdabrezn essen. Wenn ein SPD'ler seine Currywurst isst, könnte ein strammer Konservativer schon versucht sein zu sagen: Danke, nein. Aber wenn ein Markus Söder im Fernsehen eine Obazdabrezn essen würde, dann würden ihm das auch bei der SPD sicher alle von Herzen gönnen und höchstens auf dem Nockherberg hätte man dafür Spott übrig. Die Obazdabrezn ist ein völlig unideologisches Ding.

Ach München, wärst du doch weniger Maximilianstraße, weniger Wiesn, weniger Brauchtsdes - und dafür ein wenig mehr wie die Obazdabrezn. Das wär' schon was. Außer natürlich, man mag keinen Obazdn. Dann ist es auch wieder nichts.

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Quelle:
SZ vom 22.02.2018
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