Süddeutsche Zeitung

Szene-Kolumne:Dahoam in Dandyland

Das Dahoam im Glockenbachviertel ist nicht schön eingerichtet, nichts ist cool, auch der Barname ist langweilig. Doch genau diese Kneipe hat Münchens Dandy-Bezirk gefehlt.

Philipp Crone

Als das Zoozie'z vor zwei Jahren umgebaut wurde, war anschließend gut zu sehen, wie ein neues Lokal heute offenbar in München auszusehen hat. Die dunkle, abgewetzte Gemütlichkeit der alten Einrichtung wich einem hellen Ikea-Stil, mit weißen Wänden und Lampenschirmen, groß und geformt wie ein Raketenantrieb. Das Zoozie'z war nun neu, cool, am Puls der Zeit, einfach zum Heulen.

Die Betreiber hatten die sichere Variante gewählt: Kühler Einheitslook, in dem Gäste immer ein wenig störend wirken. Das funktioniert todsicher, ob am Flughafenterminal oder im Glockenbachviertel, ob in Hamburg, München oder Peiting.

Die zweite Variante, die in dieser Stadt erfolgreich praktiziert wird, lautet: Ein Lokal als Unikat. Der Trachtenvogl etwa bietet ein gutbayerisches Wohnzimmer, mit speckigen Omasesseln und Geweih an der Wand, das München 72 Devotionalien von Olympia oder das Frenzy in der Fraunhoferstraße Retro-Look mit knalliger Tapete. Genau gegenüber, Hausnummer 27, hat nun vor einigen Wochen ein Lokal eröffnet, auf das keine der beiden beschriebenen Barphilosophien passt.

Das Dahoam ist nicht schön eingerichtet. Im Schaufenster hängen als Herbstdekoration einige Blätter, acht graue Ledersessel drängen sich neben einer Sitzecke und dem Billardtisch, drei Spieleautomaten blinken im hinteren Teil vor sich hin und an der Bar stehen die nötigsten Spirituosen in einem Holzregal.

Am Mittwochabend sind die grauen Halogenspots an der Decke aus, damit die Gäste das an die Wand projizierte Fußballspiel gut sehen können. Eine achtköpfige Studentencrew fläzt in den Sesseln, drei Hemdträger diskutieren die letzte Firmenbesprechung und zwei Männer ratschen auf Polnisch an der Bar.

Das Bier kostet genau drei Euro. Nichts hier ist cool oder neu. Der Barname ist langweilig, die Salzstangen in den Gläsern sind hart. Und doch: Mitten im gestylten Dandy-Bezirk der Stadt trotzt anscheinend eine völlig primitive Bar den Konkurrenten mit den Mordskonzepten. Wie geht das?

Hinter der Bar steht eine fröhliche Dame und freut sich über jeden Gast. Man kann sich unterhalten oder nicht. Und das Bier ist frisch.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1218108
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 25.11.2011/sonn
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.