SZenario:Wundertüten im Biotop

SZenario: In die eindrucksvolle Ahnengalerie des Schwabinger Kunstpreises aufgenommen: Anita Albus, André Hartmann und Ingo Maurer (von links).

In die eindrucksvolle Ahnengalerie des Schwabinger Kunstpreises aufgenommen: Anita Albus, André Hartmann und Ingo Maurer (von links).

(Foto: Robert Haas)

Anita Albus, Ingo Maurer und André Hartmann erhalten den Schwabinger Kunstpreis - der münchnerischste aller derartigen Ehrungen

Von Oliver Hochkeppel

Sein Titel klingt nach Stadtteilkultur, in Wahrheit ist der Schwabinger Kunstpreis die vielleicht wichtigste und münchnerischste aller derartigen Ehrungen. Ist doch die Liste der 280 Preisträger seit 1961 Ahnengalerie und Nomenklatura der lokalen Kulturszene. Der Aufmarsch ehemaliger Preisträger ist auch nirgendwo sonst so zahlreich - etliche der vorderen Reihen in der Kantine des Stadtsparkassen-Verwaltungsbaus sind auch heuer wieder nur für sie reserviert. Denn bei Schwabing handelt es sich eben nicht um einen gewöhnlichen Stadtteil, sondern um ein "kulturelles Biotop, wie es das in keiner anderen Stadt gibt", sagt Kulturreferent Hans-Georg Küppers, der wieder gewohnt souverän und launig durch den Abend führt. Zum letzten Mal, eigentlich ist er ja schon am vergangenen Samstag mit einer einzigartigen Gala verabschiedet worden, aber der Schwabinger Kunstpreis als wirklich letzte Amtshandlung, das passt perfekt.

Wie Küppers kommt auch Sparkassenchef Ralf Fleischer aus dem Ruhrpott, was offensichtlich den Blick auf Schwabing schärft. In seinem Grußwort findet Fleischer die schöne Definition: "Schwabing heißt Veränderung, Vielfalt, Kunst und Gegensätze." Ein kulturelles Anforderungsprofil, das von den drei neuen Preisträgern samt ihren Laudatoren danach mustergültig abgearbeitet wird. Zunächst von der für ihre in der Tradition von zeichnenden Naturforschern wie Maria Sybilla Merian stehenden Tierzeichnungen bekannten Anita Albus. Ihre Laudatorin, die Kunstkritikerin Julia Voss, schildert plastisch den Aufwand, den Albus dafür treibt, unter anderem mit den stets selbst hergestellten Farben ("Elfenbeinschwarz" zum Beispiel, das eine echte Lichtfalle ist), und rühmt die Überlegenheit dieser Mühe, "für die sich niemand mehr Zeit nimmt", über die digitale Bilderflut. Albus dankt in einer äußerst distinguierten, bewegenden Rede (sie ist ja auch Autorin), das sich um ihr Greisenalter dreht - von dem die 76-Jährige aber offenkundig noch weit entfernt ist.

Dann kommt Ingo Maurer an die Reihe, der "Lichtpoet", wie ihn seine Laudatorin Angelika Nollert von der Pinakothek der Moderne nennt; der mit seinen Lampen-Erfindungen (von der legendären "Bulb" 1966 über das erste Niedervolt-Halogensystem "YaYAHo" 1984 bis zur ersten LED-Lampe 2001) wie seinen Licht-Installationen (von den Münchner U-Bahnhöfen "Westfriedhof" und "Münchner Freiheit" bis zum Brüsseler Atomium) die ganze Welt im wahrsten Sinne erleuchtet hat. Und der dann in seiner Dankesrede sein Team ganz in den Mittelpunkt rückt.

Die gewissenhafte, tiefgründige, bildende, soziale Seite Schwabings ist das bis dahin, da darf die musikalische und kabarettistische nicht fehlen. Dafür ist dann der Kleinkunst-Alleskönner André Hartmann genau der Richtige, im Verbund mit seinem Laudator Christian Ude, der ja als Alt-OB, Kabarett-Kollege sowie langjähriger Moderator (und Ehrenpreisträger) des Schwabinger Kunstpreises eine ähnliche Wundertüte ist. Hartmann hätte wohl locker und auf Zuruf noch ein Stündchen mit seinen verblüffenden Mashups weitergemacht, die Klavier-Klassik mit populären Melodien und Stimmparodien aller Art zusammenführen. "Aber die räumen sonst das Buffet ab", bemerkt er selbst. Und das gewohnte Granatenwetter wollte beim anschließenden Get-together im Hof ja auch noch genutzt sein.

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