SZenario:Von Herz zu Herz

Literaturhaus, Vorstellung des Papstbuches: Benedikt XVI. Letzte Gespräche von Peter Seewald

Peter Seewald (hier mit Kurienerzbischof Georg Gänswein, li.) betont, sein Buch sei keine Rechtfertigung für den Rücktritt des Papstes.

(Foto: Florian Peljak)

Seine Exzellenz, der Kurienerzbischof Georg Gänswein und Autor Peter Seewald stellen im Literaturhaus die "Letzten Gespräche" mit Papst Benedikt XVI. vor

Von Matthias Drobinski

In aller Bescheidenheit sagt Hans-Peter Übleis, der Geschäftsführer des Droemer-Knaur-Verlages: "In aller Bescheidenheit, dieses Buch ist ein historisches Buch." Damit hat er den Ton vorgegeben für die nächsten 90 Minuten. Noch nie habe ein Papst so offen und ehrlich Auskunft gegeben. "In zehn, zwanzig, fünfzig Jahren wird man an diesem Zeitdokument nicht vorbeikommen!" Es werden also am Montagmittag im Literaturhaus die "Letzten Gespräche" vorgestellt, die der Journalist Peter Seewald mit dem emeritierten Papst Benedikt XVI. geführt und nun in einem Buch von knapp 300 Seiten veröffentlicht hat. Weil das Ereignis historisch ist, ist Kurienerzbischof Georg Gänswein da, der Haushaltsführer und Vertraute des 2013 zurückgetretenen Papstes; am Sonntag war er noch in Altötting, wo ein Denkmal von Joseph Ratzinger enthüllt wurde.

Tilmann Schöberl vom Bayrischen Rundfunk moderiert. "Das Buch ist wirklich eine Sensation", sagt er; dass die BildZeitung drei Mal hintereinander eine ganze Seite für den Vorabdruck freiräume, zeige das. Er habe nachgeschaut, was die kirchlich korrekte Anrede für Erzbischof Gänswein ist, sagt er: "Schön, dass Sie da sind, Exzellenz Gänswein." Die Journalisten unter den vielleicht 80 Zuhörern zücken die Blöcke oder klappen die Notebooks auf, fünf Kameras zoomen aufs Rednerpult. Ein Mann mit tätowierten Armen bewacht das Buffet.

Der Erzbischof trägt den einfachen schwarzen Anzug des Priesters, und weil ihm nun mal der Ruf des schönsten Kirchenmannes anhaftet, sei hier gesagt, es steht ihm gut. "Vor zehn Jahren, genau an diesem Tag, in dieser Stunde, hat der Heilige Vater in Regensburg eine Jahrhundertrede gehalten", sagt er, eine prophetische Rede, die leider zum Aufruhr in der islamischen Welt geführt habe und zum Missverstehen bei den Journalisten. Der 12. September sei überhaupt ein bedenkenswerter Tag: 1683 schlugen die christlichen Heere bei der Schlacht am Kahlenberg vor Wien die Türken zurück, und weil an der Spitze der Christen eine Schutzmantelmadonna getragen worden sei, gedenke die Kirche an diesem Tag des Namens der Gottesmutter Maria. "An Mariae Namen sagt der Sommer Amen", sagt der Erzbischof, um hinzuzufügen, dass von diesem Tag an die Armen die Felder nach den Überbleibseln der Ernte hätten absuchen dürfen.

Der Bezug zum Buch wird nicht ganz klar: Heißt das, Peter Seewald habe nur auflesen dürfen, was vom Tage übrig blieb? Das wäre nun ganz und gar ungerecht. Nein, schon lobt Gänswein: "Zwei durch und durch bayerische Seelen" hätten hier "im Tonfall und von Herz zu Herz" zueinander gefunden. Das Buch überzeuge durch eine "eigene und neue Intimität" und die "fast unverblümte Sprache", durch die "zauberhafte Leichtigkeit und ungezwungene Heiterkeit" und durch sehr berührende Szenen. Zum Beispiel, wie Benedikt die Tränen kommen, als er erzählt, wie er am 28. Februar 2013 im Helikopter Richtung Castelgandolfo aufstieg und alle Glocken läuteten. Damals habe der scheidende Papst im Hubschrauber nicht geweint, verrät Gänswein - er schon.

Im Interview stelle Benedikt XVI. einiges klar, stellt Gänswein klar. Er räume mit den Verschwörungstheorien über seinen Rücktritt auf, es seien schlicht die schwindenden Kräfte gewesen, die ihn zu diesem Schritt bewogen hätten. Der Papst habe auch keine Kirche im Chaos hinterlassen, "sein Haus war wohlbestellt, als er den Staffelstab zurück in die Hände der Kardinäle legte". Es gebe auch keinen Dissens mit dem neuen Papst Franziskus, der alte Papst sei "froh und glücklich" über den neuen. Und es sei beeindruckend, wie der Papst selbstkritisch und selbstironisch rede und sich allen Versuchen entziehe, auf einen Sockel gestellt zu werden. "Nirgendwo ist er der machtbesessene Großinquisitor", sagt Gänswein, eher komme er ihm vor wie ein "päpstlicher kleiner Prinz in den roten Schuhen des Fischers".

Noch drei Stichwort-Runden mit Seewald und Gänswein. Der starke Mann mit den tätowierten Armen nascht inzwischen vom Buffet. Wie kam es überhaupt zu dem Buch? Das ist angesichts eines emeritierten Papstes, der versprochen hatte, fortan zu schweigen, keine unberechtigte Frage. Die Gespräche seien zunächst gar nicht zur Veröffentlichung bestimmt gewesen, sagt Seewald, sondern Grundlage für die Papstbiografie, an der er schreibe. Aber er habe Benedikt überzeugt, dass es richtig sei, sie doch herauszubringen, "um einer Geschichtsschreibung vorzubeugen, die behauptet, er sei die falsche Wahl gewesen und der Rücktritt seine größte Leistung". Und weil Franziskus dem zugestimmt habe, sei das auch kein Bruch des Schweigegelübdes. Er habe den Papst als Journalist befragt, betont Seewald, die "saubere journalistische Arbeit" sei ihm wichtig.

Deswegen ärgere er sich, wenn ihm einige Kollegen devote Fragen unterstellten. Ihn ärgere auch die Kritik an der Kritik des Papa emeritus an der deutschen Kirche, nein, der Papst spiele nicht den Beleidigten und wolle sich auch nicht rechtfertigen. Wer das so sehe, habe Benedikt nicht verstanden. "Man kennt ja seine lieben Kollegen, das Papst-Bashing hat ja in Deutschland ein paar Großmeister hervorgebracht", sagt Seewald. Von den Zeitzeugen, die er für seine Biografie befrage, bestätige keiner das Bild, das in den Medien gezeichnet werde - "da frage ich mich: Spinnen die Zeitzeugen oder die, die ein solches Bild zeigen?" Die Frage darf jeder selber beantworten. Das Buffet jedenfalls ist eröffnet.

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