SZenario:Verdi? Srnka!

Die Premiere von "South Pole" wird euphorisch gefeiert. Nur Opernintendant Bachler irritiert: Er verkündet seinen Abschied

Von Rudolf Neumaier

Es wäre vollkommen untertrieben, wenn man sagen würde, das Münchner Opernpublikum sei aufgeschlossen für zeitgenössische Musik und es zeige sogar reges Interesse daran. Nein, es ist geradezu wild darauf, versessen, gierig. Wer hätte das gedacht? Es lechzt nach Partituren, die so üppig sprudeln vor Septolen und Cluster-Akkorden, dass ein Mozart- und Verdi-erprobtes Ohr kaum noch mitkommt. Die Münchner sind am Sonntagabend aus dem Häuschen vor Verzückung, als Komponist Miroslav Srnka zum Applaus auf die Bühne kommt. Gäbe es ein Zuschauer-Voting wie beim RTL-Dschungelcamp, seine Doppeloper "South Pole" wäre mindestens die Aufführung des Jahres.

Bei der Premierenfeier unten im Käfer-Foyer des Nationaltheaters bordet hernach die Euphorie über. Als Staatsintendant Nikolaus Bachler verkündet, alle bislang angesetzten Vorstellungen von "South Pole" seien restlos ausverkauft, brandet Jubel auf wie beim Public Viewing eines Champions-League-Finales. Der Tenor Rolando Villazón reckt die Fäuste wie ein Siegtorschütze und tanzt einen Freudenwalzer mit dem Bariton Thomas Hampson - auf der Bühne waren sie soeben noch die Kontrahenten Robert Falcon Scott und Roald Amundsen. Und Bachler strahlt.

Angesichts dieser Zuschauergunst könnte man als Bayerns oberster Opernprinzipal auf die Idee kommen, für immer in München zu bleiben. "Nein", sagt der monacisierte Österreicher, "im Jahr 2021 läuft mein Vertrag aus. Dann ist Schluss."

Endgültig?

"Ja, endgültig. Ganz sicher."

Aber ein solches Haus gibt man doch nicht einfach ab!

"Doch! Wissen Sie, 2021 mache ich das dann 13 Jahre. Das ist wirklich sehr lange." Bis dahin wolle er noch ein paar Mal überraschen, sagt er. Wie wäre es als Fortsetzung der Südpol-Eroberung, die Ozeanfloßfahrt des tollkühnen Thor Heyerdal bei Miroslav Srnka in Auftrag zu geben? "Wir machen was ganz anderes."

Die Schauspielerin Sunnyi Melles empfindet tiefe Dankbarkeit nach dieser Uraufführung. Bachler habe ein großartiges Gespür für die Entwicklung der Oper in neue Sphären. "Es ist ein Über-unsere-Grenzen-Gehen, so muss Oper entdeckt werden." Ähnlich beeindruckt von der Uraufführung zeigt sich der regelmäßige Premierengast Franz Herzog von Bayern, das Oberhaupt des Hauses Wittelsbach. Die Musik finde er "großartig, soweit man das nach dem ersten Hören sagen kann".

Die Connaisseure für Moderne Klassik sind sich einig, dass der Erfolg der neuen Oper nicht nur dem gefeierten Komponisten zu verdanken ist, sondern einem in relativ quirligen Mann aus Omsk: Kirill Petrenko. Mit sechsköpfiger Entourage stößt er auf die Produktion an, schüttelt die Hände seiner Solisten und verabschiedet sich unauffällig. Von seiner Halben Bier hat er gerade so viel getrunken, dass es auch in ein Schnapsglas gepasst hätte. Der Mann hat viel um die Ohren.

Als neuer Gast auf einer Staatsopern-Premierenfeier tritt Margarete Bause auf, die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Landtag. O ja, sie gehe gern in die Oper. Allein Premierenkarten seien nun mal rar, wenn man nicht dem Kabinett angehöre. Dafür, dass die Oppositionspolitikerin bei einem Nationaltheater-Fest debütiert, meistert sie den After-Show-Smalltalk so eloquent wie mancher Stammgast von der Regierungsbank. "Diese Inszenierung", sagt sie, "hat eine unglaubliche Ästhetik. Mit einfachsten Mitteln werden starke Bilder erzeugt." Überrascht sei sie allerdings von der frenetischen Reaktion des Publikums auf "die etwas sperrige Musik". Unterschätzt sie die Münchner?

Den amerikanischen Bariton Thomas Hampson hat die Resonanz kaum überrascht, wie er sagt. "Unser Opernpublikum freut sich auf neue Werke. Das muss den Veranstaltern Mut machen." Er sei "glücklich und dankbar hier dabei zu sein".

Ginge es nach den Künstlern, stünde viel mehr Srnka auf dem Spielplan und weniger Mozart, Verdi, Wagner. Mal sehen, ob sich die auf zeitgenössische Moderne eingepolten Münchner noch einmal auf einen Klassiker einlassen. Am 6. März hat Verdis "Maskenball" Premiere.

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